Ost-Jerusalem: Biden kritisiert Siedlungspläne
Rückschläge für Verhandlungen im Nahen Osten: 1600 neue Wohneinheiten in Ost-Jerusalem wurden genehmigt. Biden will Verhandlungen nach der "Roadmap" von 2003.
JERUSALEM/NEW YORK taz/afp | Mit zwei harten Rückschlägen gehen die Palästinenser in die neue indirekte Verhandlungsrunde mit Israel. Im Gegensatz zu Palästinenserpräsident Mahmud Abbas betrachten die USA die zwischen der PLO und Israels Exregierungschef Ehud Olmert erreichten Verständigungen nicht als bindend. Ausgangspunkt soll stattdessen die 2003 vereinbarte "Roadmap" sein, dem vom Nahostquartett (USA, EU, UN und Russland) formulierten "Fahrplan zum Frieden".
Der israelische Verteidigungsminister Ehud Barak (Arbeitspartei) genehmigte den Bau von 112 neuen Wohneinheiten in der israelischen Siedlung Beitar Ilit. Die deutlich umfangreicheren Pläne zum Ausbau von jüdischen Siedlungen in Ost-Jerusalem haben indes auch bei Ehud Baraks Verteidigungsministerium Unmut hervorgerufen: Es zeigte sich in einer am Mittwoch veröffentlichten Mitteilung "verärgert" über die "überflüssige" Ankündigung des Innenministeriums, in dem von ultra-orthodoxen Juden bewohnten Ost-Jerusalemer Stadtteil Ramat Schlomo 1600 Wohnungen zu bauen.
Mit diesem Schritt brüskierte Israel US-Vizepräsident Joe Biden, der dem Land zuvor umfassende Sicherheitsgarantien gegeben hatte. Man hätte mehr Sensibilität während des Besuches eines ranghohen US-Politikers zeigen müssen, sagte der israelische Bauminister Eli Jischai am Mittwoch dem israelischen Rundfunk. Israel habe Biden nicht verletzen wollen.
US-Vizepräsident Biden hatte die Ausbaupläne nicht nur kritisiert, sondern sogar verurteilt. "Wir müssen eine Atmosphäre schaffen, die Verhandlungen unterstützt und nicht komplizierter macht", heißt es in einer Erklärung des Vizepräsidenten. Der Bau in Ost-Jerusalem beeinträchtige die Bemühungen um Friedensverhandlungen mit den Palästinensern. Israel arbeite seit Monaten daran, ein vertrauensvolles Verhältnis zwischen den Verhandlungsparteien zu erreichen. Dies müsse berücksichtigt werden.
Auch UN-Generalsekretär Ban Ki Moon verurteilte die Pläne zum Siedlungsausbau. Damit verstoße Israel gegen internationales Recht, erklärte Ban am Dienstag (Ortszeit) in New York. Die Siedlungsbestrebungen liefen "jeder Entwicklung zu einem durchführbaren Friedensprozess" zuwider.
Bei den Palästinensern besteht kaum noch Hoffnung darauf, in der Regierung des konservativen Benjamin Netanjahu einen Partner für den Frieden zu finden. Nicht die israelische Regierung sei es, der man eine Chance geben wolle, sondern der Initiative der USA.
Auf vier Monate setzt die PLO die bereits im Vorfeld von der Arabischen Liga umrissene Frist für die Gespräche fest. Sollten bis Juni keine konkreten Fortschritte erreicht worden sein, will sich Abbas vor dem UN-Sicherheitsrat dafür starkmachen, dass die Waffenstillstandslinie von 1967 zum Grenzverlauf für den künftigen Staat Palästina erklärt wird. Damit wären die Palästinenser mit Blick auf die geplante, notfalls einseitige Staatsgründung einen guten Schritt vorangekommen.
Auch bei den Israelis herrscht Skepsis. Netanjahu zeigte sich befriedigt, dass die Bemühungen der USA Früchte tragen und hofft, "dass in Kürze direkte Verhandlungen aufgenommen werden". Im Mai 2009 hatte Netanjahu als Bedingung für die Zwei-Staaten-Lösung vorausgesetzt, dass die Palästinenser Israel als jüdischen Staat anerkennen.
Thema während des Treffens mit Biden war auch das iranische Atomprogramm. Die Regierung in Jerusalem schließt ein militärisches Vorgehen nicht aus. Biden bestärkte im Verlauf der gemeinsamen Pressekonferenz am Dienstag die Verpflichtung der USA für Israels Sicherheit. Einen israelischen Angriff auf die iranischen Atomforschungsanlagen lehnen die USA jedoch ab.
Auf der Agenda für die Verhandlungen, bei denen der US-Sondergesandte George Mitchell zwischen Ramallah und Jerusalem pendeln wird, steht zunächst der künftige Grenzverlauf. Ausgehend von der "Roadmap" wird zudem die von Israel geforderte Räumung sogenannter Siedlervorposten zur Sprache kommen sowie der fortgesetzte Siedlungsbau.
"Wenn der israelischen Regierung daran liegt, die Anstrengungen Mitchells zu sabotieren, dann sollten wir mit ihm (Mitchell) darüber reden, und vielleicht von vornherein auf die Verhandlungen verzichten", zürnte Saeb Erikat, Chef des palästinensischen Verhandlungsteams, über die Baumaßnahmen in Beitar Ilit. Erikat sprach von einer "letzten Chance für den Frieden". Bauunternehmer begründeten, dass die Bauten aus technischen Sicherheitsgründen nötig seien, um höherliegende Häuser abzustützen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag