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■ Oskar Lafontaine desavouiert die SPD-LinkeDer Nachtreter

Wie viel sind linke Positionen wert? Diese Frage lässt sich seit gestern gleich in zweifacher Weise beantworten. Monetär berechnet sind es mindestens 800.000 Mark. So viel erhält der gewesene SPD-Parteivorsitzende Oskar Lafontaine für sein Buch mit dem irritierenden Titel „Mein Herz schlägt links“. Politisch aber sind linke Positionen in der SPD keinen Heller mehr wert.

Lafontaine hat erreicht, dass sein Name in allen Schlagzeilen erscheint. Und es ist ihm zugleich gelungen, seine eigene Position und die anderer linker Sozialdemokraten so gründlich zu desavouieren, dass Kanzler Schröder sich darum keine Sorgen mehr zu machen bracht.

Der Schriftsteller Lafontaine – kein guter übrigens – ist Spezialist für Knalleffekte. Was wir schon immer wissen wollten, wann wer bei der Regierungsbildung an welcher Strippe zog, welche Namen von wem ins Spiel gebracht wurden, warum Schröder einmal besonders früh zu Bett ging und was Doris mit Christa Müller zu besprechen hatte: Oskar Gernegroß erzählt alles in allen Einzelheiten.

Das erhöht zwar die Auflage enorm. Ganz selbstverständlich bricht der Autor damit aber mit einer Regelung, die zwar für jeden mittleren Handwerksbetrieb Gültigkeit besitzt, nicht aber für die Bundesregierung: Die Pflicht zur Wahrung der Vertraulichkeit auch nach dem eigenen Ausscheiden aus der Firma. Neue Freunde in der alten Partei gewinnt man so nicht. Die alten verliert man.

Allerdings findet sich in Lafontaines Werk durchaus Aufklärendes über den Autor selbst. Freilich nichts Erbauliches, sondern Entlarvendes. Der Chef außer Dienst porträtiert sich als Marionettenspieler, dessen Fäden sich rettungslos verheddert haben. Wer was in Koalition und SPD werden sollte, immer hatte Lafontaine seine Pfoten im Spiel. Leider vergeblich: Der böse Gerhard Schröder entschied anders (und nicht unbedingt schlechter, wie wir heute wissen). Von linken Inhalten findet sich bei Lafontaine fast nichts. Eine tiefere Begründung für den plötzlichsten Rücktritt aller SPD-Zeiten bleibt er schuldig. Urteil: Der SPD-Parteivorsitzende Lafontaine war stets bemüht. Mehr nicht.

Oskar Lafontaines linke Ideen leiden unter einem: Oskar Lafontaine. Der Mann hat das Kunstück geschafft, seine Anhänger gleich mehrfach zu verärgern. Ihm ist es gelungen, Links mit Nachtreten zu identifizieren. Er ist nicht Napoleon. Sondern Zwerg Nase. Klaus Hillenbrand

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