Oscar für „No Other Land“: Der vergessene beste Dokumentarfiln
„No Other Land“ gewinnt einen Oscar, aber nicht die Aufmerksamkeit der Medien. Dabei könnte Journalismus alles benennen, was in Nahost geschah und geschieht.
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L ars Klingbeil hat mich angerufen: Ich müsse etwas über die Oscars schreiben, um die deutsch-amerikanische Freundschaft zu retten. Ich war nicht überrascht, weil ich gestern schon in den „Tagesthemen“ gehört hatte, dass Klingbeil unbedingt daran festhalten will – sogar nach der splatterfilmmäßigen Zermetzelung der westlichen Wertegemeinschaft im Oval Office. Realität egal. Man muss die Menschen jetzt beruhigen.
Die Oscars um acht Uhr morgens: Ich finde auf tagesschau.de keinen Hinweis darauf, dass „No Other Land“ den Oscar für den besten Dokumentarfilm bekommen hat – die vielfach preisgekrönte Produktion, die Probleme der palästinensischen Bevölkerung mit ihrer Behandlung durch Siedler und die israelische Armee beschreibt, was dann auf der Berlinale zu Kritik an Israel führte, die nicht erwünscht war.
Die Politik hatte nämlich gerade beschlossen, der Kunst an Kunstfreiheit zu nehmen, was sie nicht mehr für angemessen hält, wegen der „Staatsräson“.
Und nun wird der neue Preis für den Film in der Meldung von 5.22 Uhr auf tagesschau.de einfach nicht erwähnt. Sicherheitshalber, der Eindruck drängt sich auf – strukturelle Rückgratlosigkeit, Staatsräsonjournalismus. Es wird nur der Teil der Wirklichkeit vermeldet, mit dem man oben keinen Ärger bekommt.
Dabei könnte Journalismus alles benennen, was im Hamas-Israel-Komplex geschah und geschieht. Alles melden, belegen, zeigen: die Verbrechen der Hamas und die Verbrechen Israels. Die Toten, Versehrten, Gefolterten. Die Einschüchterungsversuche der Hamas-Propaganda mit ihren Dreiecken und Boykottaufrufen und die Angst der deutschen Politik vor den Anrufen des israelischen Botschafters. Den Einsatz des Antisemitismusbegriffs zur Einschüchterung politisch unliebsamer Gruppen und den in der linken Szene weit verbreiteten Antisemitismus.
Nicht unterkomplex das Ganze. Stoff für viele Dokumentarfilme, die niemanden glücklich machen würden und die deshalb unbedingt verhindert werden müssen. Zum Glück gibt es wenigstens den einen, „No Other Land“.
„Fuck you, Trump!“
Lars Klingbeil ruft wieder an. Wie es jetzt mit der deutsch-amerikanischen Freundschaft stehe? Ich müsse den Menschen Mut machen!
Als Erstes habe ich heute früh ein Video von Robert De Niro vor großem Galapublikum gesehen. „Fuck you, Trump!“, ruft er zu donnerndem Applaus. Wow, dachte ich – Männer beim Männlichsein. Wie im KI-Video „Selenskyj schlägt Trump im Oval Office k. o.“, das in mir starke Blockreflexe ausgelöst hat. Das De-Niro-Video war dann gar nicht von den Oscars, das war ein Männlichkeitsanfall aus lange vergangener Zeit, bei den Tony Awards 2018.
Clint Eastwood ist wirklich nicht die Lösung. Travis Bickle ist nicht die Lösung. Denn wer hat am meisten Unglück über die Menschheit gebracht? Männer, die alles regeln wollen.
Der Oscar für die beste Hauptdarstellerin ging an Mikey Madison, 25, für die Darstellung einer Sexarbeiterin. In ihrer Rede hat sie der Gemeinschaft der Sexarbeitenden ihre Ehrerbietung erweisen. Das ist nicht wenig. Ein kleines Signal der Solidarität, der Verletzlichkeit mitten in dieser weltweit galoppierenden Unbarmherzigkeit.
Ich persönlich würde mich unter Sexworker*innen sicherer fühlen als auf einer CDU-Fraktionssitzung. Ich sehe, wie dort im Hintergrund Julia Klöckner Friedrich Merz aufs Pferd wuchtet. Er trägt eine Ritterrüstung, Carsten Linnemann reicht ihm die Lanze.
Das war’s, Lars. Lang lebe die Leiche der deutsch-amerikanischen Freundschaft, lang lebe die Staatsräson! Die Renten sind sicher, überall Männer, und der Rest ist Antisemitismusbekämpfung. (tagesschau.de um 8:51 Uhr: In einem neuen Text wird der Oscar für „No Other Land“ ganz zum Schluss erwähnt, als Auslöser gewisser politischer Äußerungen.)
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