Orte der Subkultur: Suchtklinik wird Kulturzentrum
Die Stadt hat Künstlern aus der Techno-Szene für den Sommer eine ehemalige Rehaklinik an der Neuenlander Straße zur Zwischennutzung überlassen
Die große Villa erinnert nicht an jene verlassenen Orte, die üblicherweise die Veranstalter von alternativen Techno-Parties anziehen. Mit Stuckresten, beigen Tapeten und Kaninchenställen im Garten verströmt die Immobilie an der Neuenlander Straße noch immer das Flair der Reha-Klinik für Alkoholkranke, die einst dort untergebracht war. Trotzdem soll das hinter Büschen und Zäunen versteckte Gelände zwischen einem Großmarkt und Autohäusern ab dem kommenden Wochenende zu einem Zentrum der Bremer Subkultur werden.
Die Stadt hat die Immobilie einem Netzwerk von Künstlern aus der Techno-Szene zur vorübergehenden Nutzung überlassen. Die haben großes vor: Ein "urbanes Labor des guten Lebens" wollen sie in der einstigen Klinik bis Ende August einrichten. Alternative Kulturschaffende sollen sich mit unter anderem mit Lichtinstallationen, Skulpturen, auf Bühnen und Dancefloors ausprobieren können. Zur ersten Begehung Anfang des Monats kamen über 40 Freiwillige, die das Programm ehrenamtlich gestalten wollen. Zwar haben Unbekannte alle Kupferrohre geklaut, doch in den letzten Tagen haben die HelferInnen des "Neuland" genannten Projekts den Strom, das Wasser und die Toiletten wieder in Stand gesetzt.
Mit "Unkommerzialität und Selbstbestimmtheit", sagt Kriz Sahm vom Zucker-Club, wolle man dem Anspruch vom "guten Leben" näherkommen. Das "Zucker" ist offizieller Träger des Projekts. Vor drei Jahren wurde der Club nahe dem Jakobshaus eröffnet. Das Zucker ist bekannt dafür, dass dort vor allem solche KünstlerInnen zum Zuge kommen, für die in der konventionellen Club- und Konzertlandschaft kein Platz ist - und die einen solchen wohl oft auch gar nicht wollen würden. Sahm geht für die hohen Ansprüche an das Zucker-Programm oft an die Grenze der wirtschaftlichen Zumutbarkeit.
Im Sommer verschärft sich das Problem: Da können sich Clubs kaum noch gegen die wachsende Zahl an Festivals behaupten. "Da machen wir bis August lieber dicht und probieren was Neues aus", sagt Sahm.
Den Deal mit der Stadt hat die Zwischenzeit-Zentrale (ZZZ) organisiert, eine Agentur für die temporäre Nutzung von Immobilien. Die ehemalige Suchtklinik ist ein Austauschgrundstück für den EADS-Konzern. Der hat dafür ein anderes Grundstück abgetreten, über das die Trasse der neuen Autobahn A281 führen soll. Deren Bau aber stockt, denn die Trasse soll weiter über das Gelände führen, auf dem jetzt noch der Hornbach-Baumarkt steht. Und dafür konnten sich die Stadt und der Eigentümer Metro bislang nicht auf einen Preis einigen, sagt das Bauressort.
So scheint es, als würden sich die Interessen der Stadt und der Künstler allzu harmonisch ergänzen. Erst im Mai organisierte die ZZZ im Bundeswehr-Hochhaus eine Konferenz mit dem Titel "nachhaltige Gestaltung des städtischen Wandels durch Zwischennutzung". Die "Neuland"-Akteure treibt auch die Frage um, wie sie ihrer Vereinnahmung durch die Politik vorbeugen. Die Diskussion erinnert an die Debatte um das Hamburger Gängeviertel: Ist Subkultur ein Standortfaktor? Und, wenn ja, wie geht sie damit um?
In einer Erklärung schreiben die an dem "Neuland"-Projekt Beteiligten, sie wollen die "Rolle ihrer Schaffensorte als ,urbane Pioniere" und ,weiche Standortfaktoren' reflektieren". Denn Stadtentwicklungsprozesse, so heißt es weiter, würden nicht nur "urbane Nischen als neue Möglichkeitsräume entstehen lassen", sondern eben auch Verdrängungsprozesse. Um diesen Widerspruch aufzuarbeiten, soll es Diskussionsveranstaltungen mit auswärtigen Gästen geben.
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