Organspenderegelungen in Europa: Fünf Prozent weniger
Die Widerspruchsregelung kommt nicht. Dabei gehen andere Länder ganz pragmatisch damit um. Die „Spendererkennung“ zählt.
Der Entwurf für eine doppelte Widerspruchslösung wurde im Bundestag abgelehnt, zum Leidwesen zweier PetitionsstarterInnen, darunter Gordon, die mit anderen Betroffeneninitiativen auf eine Reform des Gesetzes gehofft hatten.
Die Widerspruchslösung kommt nun nicht, aus Statistiken der Deutschen Gesellschaft für Organtransplantation (DSO) lässt sich ungefähr ermessen, was es bedeutet hätte, wäre der Gesetzentwurf durchgekommen. Die Widerspruchslösung sieht vor, dass Menschen, deren Willen zur Organspende nicht bekannt und auch nicht irgendwo dokumentiert ist, auch nicht bei den Angehörigen, automatisch als Organspender gegolten hätten.
Nach einer Statistik der DSO kamen im Jahre 2018 nur 1.377 Menschen als potenzielle, von den Krankenhäusern gemeldete Organspender infrage. Was daran liegt, dass nur weniger als 1 Prozent der Todesfälle als „hirntot“ registriert werden, dieses Stadium des „Hirntodes“ im Sterbevorgang ist selten und wird auch oft nicht erkannt. Für 25 Prozent dieser gemeldeten potenziellen SpenderInnen gab es keine Zustimmung zur Spende, meist weil die Angehörigen von einer ablehnenden Haltung des Verstorbenen wussten oder dies so vermuteten.
Nur für einen Bruchteil der potenziellen SpenderInnen, nämlich 5 Prozent, wurde die Zustimmung deswegen nicht erteilt, weil den Angehörigen die Haltung des Verstorbenen unbekannt war und es auch sonst keine Information dazu gab. Nur dieses Segment der „Informationslosen“ hätte künftig automatisch als OrganspenderIn gegolten, wäre die doppelte Widerspruchslösung gekommen.
Die Zahlen entsprechen etwa den Erfahrungen aus Österreich, wo schon seit vielen Jahren die Widerspruchsregelung gilt. Hier sind nicht mal 1 Prozent der Bevölkerung im offiziellen Widerspruchsregister erfasst. Wird bei einem Menschen der Hirntod festgestellt und liegen keine schriftlichen Willensbekundungen vor, werden immer die Angehörigen gefragt nach der Haltung des Verstorbenen zur Organspende.
Diagnose Hirntod
Nach Informationen der DSO wird in Österreich in etwa 20 Prozent der Fälle eine Organspende von den Angehörigen abgelehnt. Trotzdem ist das Spendenaufkommen in Österreich, gemessen an der Bevölkerungszahl, sehr viel höher als in Deutschland.
Es liegt also auch an der Infrastruktur in den Krankenhäusern und vor allem daran, ob bei den Sterbenden die Phase des „Hirntodes“ diagnostiziert wird. In Spanien zum Beispiel gilt auch die Widerspruchsregelung, entscheidend aber ist die dortige „Spendenkultur“, die Spendenquote ist viermal so hoch wie in Deutschland.
Eine staatliche Behörde verwaltet in Spanien die Warteliste für EmpfängerInnen. In den Krankenhäusern wird das medizinische Personal motiviert, sterbende Menschen als mögliche OrganspenderInnen zu identifizieren und zu diagnostizieren, das wird auch extra vergütet. Die Koordinatoren für Organspenden führen Gespräche mit den Angehörigen, die Ablehnungsquote durch die Angehörigen liegt in Spanien laut DSO nur bei 15 Prozent.
In Deutschland kommt es darauf an, mehr Sterbende als „Hirntote“ zu erkennen und damit als potenzielle Spender an die DSO zu melden. Die Diagnostik des Hirntodes ist aufwendig, man prüft zum Beispiel die Hirnstammreflexe, den Atemstillstand, an der Prüfung muss eine NeurologIn beteiligt sein. Der Hirntod kann entweder vor oder kurz nach dem Herztod eintreten, als OrganspenderIn kommt in Deutschland nur infrage, wer noch keinen Herztod erlitten hat.
Immerhin: Die Spendermeldungen der Krankenhäuser nehmen zu, hat die DSO kürzlich verkündet. Ob dann allerdings tatsächlich Organe transplantiert werden können, hängt auch vom Zustand der Organe ab. Eine Transplantation ist nicht möglich, wenn etwa Infektionen vorliegen oder das Organ geschädigt ist.
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