: „Organisierte Unverantwortlichkeit“Staat
■ Unternehmensberater durchleuchten Bremens Bürokratie und fordern Abschaffung der SKP
Graue Papiere stapeln sich zu großen Haufen, irgendwie scheut die bremische Landesregierung wie ein Ackergaul vor einem Wassergraben: Reform der öffentlichen Verwaltung ist das schwierige Thema. Daß hier erhebliche Gelder einzusparen sind, das wissen auch die Politiker: Da geht es nicht nur darum, daß man an einer Meldestelle auch sein Auto anmelden oder Wohngeld beantragen kann, es geht um den großen Hintergrund der internen Verwaltung. „Organisierte Unverantwortlichkeit“hat ein offizieller Zwischenbericht des Senats über die „Koordinierte Einführung des Neuen Steuerungsmodells (NSM) in der bremischen Verwaltung“den gegenwärtigen Zustand genannt. In der neuen Verwaltung soll es Dinge geben, die bisher Fremdworte sind im Öffentlichen Dienst: „Controlling“, „Anreiz zu effizientem Einsatz der Mittel“, „Reduzierung langwieriger Abstimmungsverfahren“und so weiter. Es geht also darum, das in der staatlichen Verwaltung einzuführen, was in der privaten Wirtschaft „seit Jahrzehnten selbstverständlich“ist. 25 Prozent Effizienzsteigerung ergeben solche Reformen staatlicher Strukturen, haben die Unternehmensberater der KPMG jetzt in einem Gutachten über Bremens Personalverwaltung klargestellt.
Sie waren sich dabei ihrer Sache so sicher, daß sie auf eine „detaillierte Wirtschaftlichkeitsberechnung des derzeitigen Zustandes“schlicht verzichtet haben. Denn die derzeit zentralistisch ausgerichtete Personalverwaltung – immerhin geht es um ca. 40.000 Beschäftigte im Öffentlichen Dienst in Bremen – zeichnet sich, so die KPMG-Gutachter, durch „mangelnde Sachnähe der Entscheidungsträger“aus, durch „Doppelarbeit und Mehrfachprüfungen“, durch „Verzögerung der Entscheidungsfindung“und durch die „Diskrepanz zwischen der Verantwortung für Fachaufgabe und Beschäftigte“.
Das Gutachten benennt, was jeder weiß: In einer staatlichen Verwaltung kann jede zuständige operative Einheit „die Verantwortung für ihren Mißerfolg mit dem Argument von sich weisen, sie hätten nicht so handeln können, wie es sinnvoll und notwendig gewesen wäre“. Müllabfuhr, Gartenbauamt und Krankenhäuser wurden deshalb aus der Verwaltung teilweise herausgelöst, für den Kernbereich der Verwaltung hat sich aber wenig getan. Oder doch? „Die Freie Hansestadt Bremen hat dazu einen richtungsweisenden Senatsbeschluß gefaßt“, schreiben die Gutachter. Das war 1995.
Die Gutachter der KPMG schlagen vor, jetzt endlich etwas zu tun. Schon zum 1.1.1998 soll die gesamte Personalverwaltung der SKP aufgelöst werden: 140 der 260 MitarbeiterInnen sollen sog. „Service-Centern“zugeordnet werden, die „im Auftrage“der Dienststellen die Personalverwaltung ausführen - „gegen Entgelt“versteht sich. Die Gutachter schlagen sogar die Bildung von drei „Service-Centern“vor, damit die später einmal untereinander mit kostengünstigen Angeboten um die Aufträge konkurrieren können. Verantwortlich für das Personal sollen die Dienststellen selbst sein, „so dezentral wie möglich“. Schon in einem Jahr, so die Gutachter, würden sich die Kosten, die die Neuorganisation macht, „amortisiert“haben durch mögliche Einsparungen. Die skizzierte Zerschlagung der SKP könnte, so das Gutachten, „der Grundstein für die Praktizierung eines modernen Personalmanagements in der bremischen Verwaltung“legen. K.W.
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