Organisierte Kriminalität in Mexiko: Blutige Demonstrationen von Macht
In Mexiko stellen Erpressungen und Morde die Regierung auf die Probe. Ein Jahr vor den nächsten Wahlen tobt ein Machtkampf.
Der Bundesstaat Guerrero im Süden Mexikos sticht besonders heraus. Seit über zwei Wochen sind die Hauptstadt Chilpancingo, aber auch die touristischen Hotspots Acapulco und Taxco praktisch unregierbar geworden. Grund ist ein weiteres wachsendes Phänomen: Erpressung. Eine Form davon ist das sogenannte Schutzgeld, das Kleinunternehmern und Händlern abverlangt wird, die Transportleistungen und Dinge des täglichen Bedarfs anbieten.
Am vorvergangenen Wochenende gab es eine tödliche Serie von neun Angriffen durch bewaffnete Männer in Tixtla und Chilpancingo, beides zentrale Orte des Bundesstaates. Die Bewaffneten setzten Taxis in Brand, fünf Fahrer wurden ermordet und fünf weitere Menschen verletzt, darunter drei Passagiere. Alles aufgrund nicht geleisteter Schutzgeldzahlungen.
Am darauffolgenden Montag und Dienstag blockierten rund 4.000 Einwohner*innen die Autopista del Sol, die wichtigste Autobahn im Süden. Angeführt von der kriminellen Gruppe „Los Ardillos“, forderten sie öffentliche Investitionen in ihre Gemeinden, viele von ihnen indigen geprägt.
Sie kaperten einen Polizeiwagen, drangen gewaltsam in Büros der Verwaltung ein, verletzten einige Personen und nahmen für 24 Stunden 13 Mitarbeiter als Geiseln, die erst nach Verhandlungen und der Intervention von Bundesbehörden wieder freigelassen wurden.
Zahl der Ermordeten steigt
In seiner morgendlichen Pressekonferenz sagte Präsident López Obrador, diese Machtdemonstration sei durch die Zusammenarbeit zwischen lokalen Behörden mit kriminellen Gruppen möglich geworden. Es handele sich um den Versuch, Lokalregierungen zu destabilisieren, die von seiner MoReNo-Partei geführt werden. Guerrero ist auch einer der Bundesstaaten, in denen schon vor den letzten Wahlen am meisten Kandidaten ermordet wurden.
„Wir werden uns von niemandem in Geiselhaft nehmen lassen“, sagte López Obrador in seiner Morgenkonferenz, aber „wir werden die Gewalt nicht mit Gewalt beantworten“. Seine Regierung und auch die der Gouverneurin von Guerrero, Evelyn Salgado, würden „Präsenz, Geduld und Besonnenheit“ walten lassen.
Den kriminellen Gruppen gehe es darum, „eine soziale Unterstützerbasis zu schaffen, und das erreichen sie mithilfe genau jener Behörden früherer Regierungen, die ihnen Güter zum Verteilen überließen“. Seine Regierung habe hingegen Fortschritte dabei gemacht, den Gruppen diese soziale Basis zu entziehen.
Guerrero steht an siebter Stelle unter den zehn Bundesstaaten mit den meisten vorsätzlichen Morden, wobei die Zahlen in Chilpancingo, Iguala und Acapulco weiter steigen. An erster Stelle steht nach den verfügbaren Daten der Bundesstaat Guanajuato, der von der Opposition regiert wird. Zwischen Januar und Juni dieses Jahres gab es dort 1.647 Morde. An zweiter Stelle folgt der Bundesstaat Mexiko mit 1.330, Baja California mit 1.157, Jalisco mit 1.095, Chihuahua mit 1.091 und Michoacán mit 909 Morden.
Erpressung allgegenwärtig
Für Unternehmer aus Guerrero, die sich öffentlich nur anonym äußern wollen, geht es bei den Erpressungen und Straßenblockaden um eine Machtdemonstration der Organisierten Kriminalität. 2013, im Jahr der schlimmsten Gewalt in Guerrero, stellte die Bundesregierung 30 Unternehmer unter besonderen Schutz, die erpresst und mit dem Tod bedroht wurden.
Damals, berichtet ein Unternehmer, „wurden alle Geschäfte erpresst, selbst die Menschen, die mit einer Holzkarre Früchte verkaufen. Einmal erzählte mir der Besitzer einer Hühnerfarm, dass er jede Woche 15.000 Pesos Schutzgeld zahlte, die Eintreiber kamen pünktlich jeden Samstag. Ich sprach dann mit einem Kontakt, den ich bei den Bundesbehörden hatte, es gab eine Polizeioperation, der Eintreiber wurde verhaftet und schließlich die ganze Zelle geschnappt.“ Auf lokaler Ebene waren sie immer geschützt, agierten in vollkommener Straflosigkeit.
Laut der örtlichen Behörden ist 2022 allein in Guerrero die Zahl der Erpressungen um 93 Prozent gestiegen. Die Antwort der Bundesregierung bestand bislang daraus, mehr Nationalgardisten zu schicken.
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