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Organisation amerikanischer StaatenStaatschefs versprechen Selbstheilung

Beim Gipfeltreffen im peruanischen Lima wird der Korruption der Kampf angesagt. Der Streit um Venezuela geht weiter.

Bilaterale Gespräche am Rande des Gipfels in Lima: Treffen von Vertretern der USA und Perus Foto: Reuters

LIMA taz | „Zeitverschwendung“ nannte Venezuelas Präsident Nicolás Maduro den Gipfel der Organisation amerikanischer Staaten (OAS) in Lima und blieb zu Hause. Doch Maduro hatte sich getäuscht. Bei dem Treffen unterzeichneten alle 33 anwesenden Staatsvertreter den „Beschluss von Lima“, in dem sie sich zum Kampf gegen Korruption verpflichten.

Das Dokument klingt wie eine Rundumtherapie für wankende Demokratien: im Sinne der Bürger handeln, Gewaltenteilung und Justiz stärken, Strafverfolgung verschärfen, Ermittlern und Gerichten grenzübergreifende Kooperation ermöglichen, Bildung verbessern, staatliches Handeln transparent machen, Whistleblower und Journalisten schützen.

Perus gastgebender Präsident Martín Vizcarra hatte seit Tagen intensiv für ein solches Dokument geworben. Innenpolitisch hilft es ihm, sich als Saubermann zu präsentieren; als einer, der aufräumt mit all den Politikern und ihren Machenschaften. Die sorgen nicht nur im Gastgeberland für schwindendes Vertrauen in die Demokratie.

Laut Vizcarra misstrauen 70 Prozent der Menschen in den Amerikas ihren Regierungen. Sein eigener Amtsantritt liegt noch nicht einen Monat zurück. Er kam an die Macht, weil sein Vorgänger Pablo Pedro Kuczynski in den Odebrecht-Skandal verwickelt ist. An ihn und andere Politiker in zehn Ländern Lateinamerikas hatte der brasilianische Baukonzern nach eigenen Angaben insgesamt 788 Millionen US-Dollar Schmiergeld gezahlt.

Doch der Gipfel bot mehr als demonstrative Einigkeit der politischen Elite über einen inszenierten Akt der Selbstheilung, oder über die Medizin gegen die „Krankheit“ der Korruption, wie es OAS-Präsident Luis Almagro nannte.

Friedensappell zeitgleich mit US-Raketen

Als dieser seine Eröffnungsrede mit einem Friedensappell abschloss, eilte US-Vizepräsident Mike Pence schon wieder aus dem Saal, weil Raketen der US-geführten Militärallianz syrische Ziele trafen. Im Theater in Lima ertönten da Panflöten, Artisten flogen durch die Luft, Tanzgruppen über den Bühnenboden.

Vizcarra versuchte mit symbolischen Mitteln, Einigkeit zu erzielen: Bei der Eröffnung saßen rechts neben ihm Argentiniens Präsident Mauricio Macri und Boliviens Evo Morales als Vertreter der wenigen verbleibenden linksregierten Staaten.

Beim Gruppenfoto gab es das gleiche Bild – Vizcarra vorn in der Mitte, rechts von ihm Macri und Morales. Auch die Redefolge bei der Hauptsitzung war entsprechend. Da zeigten sich aber die tiefen Gräben. Der wirtschaftsliberale Macri pries den Freihandel, Morales schimpfte über Finanzwirtschaft und Kapitalismus, der Korruption erst ermögliche.

Auch die Krise in Venezuela bewegte den Gipfel in Lima. Dort gingen Tausende Venezolaner gegen „Diktator“ Maduro auf die Straße, während die venezolanische Delegation mit Vertretern aus Kuba und Bolivien den linken Parallelgipfel mit NGOs eröffnete und die OAS als imperialistisches Instrument der USA bezeichnete.

Raúl Castro bleibt fern

Dort wollte neben Morales auch Kubas Staatschef Raúl Castro teilnehmen. Er war aber aus Protest gegen die Ausladung Maduros nicht nach Peru geflogen. Der anwesende Außenminister Bruno Rodríguez kritisierte: „Es ist kein bisschen demokratisch, Venezuela und Maduro verbal zu attackieren, wenn er nicht hier ist, um antworten zu können.“

In Einzelgesprächen hatte der US-Vizepräsident zuvor andere Staaten zu härteren Sanktionen gegen Venezuela gedrängt. Pence traf sich auch mit venezolanischen Exil-Oppositionellen. Die bezeichnen die für den 20. Mai angesetzte Präsidentschaftswahl als Betrug.

Die USA, Kanada, Chile und weitere Länder riefen Caracas auf, die humanitäre Krise anzuerkennen und internationale Hilfe zuzulassen. Venezuelas Wirtschaft produziert nach eigenen Angaben jetzt nur noch 20 bis 25 Prozent der nötigen Lebensmittel. 1,6 Millionen Venezolaner sind laut Internationaler Organisation für Migration auf der Flucht – fünf Prozent der Bevölkerung.

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1 Kommentar

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  • “In Einzelgesprächen hatte der US-Vizepräsident zuvor andere Staaten zu härteren Sanktionen gegen Venezuela gedrängt.”

     

    “Die USA, Kanada, Chile und weitere Länder riefen Caracas auf, die humanitäre Krise anzuerkennen und internationale Hilfe zuzulassen.”

     

    Zynisch, mehr braucht man dazu nicht zu sagen.