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Opposition kritisiert Bundeshaushalt235 Milliarden Euro verschenkt

Die Linkspartei will nicht mehr sparen, sondern mehr einnehmen. Ohne unsinnige Steuersenkungen gäbe es die aktuellen Finanzprobleme gar nicht, sagt sie.

Seit 1998 hat der Bund viel Geld verschenkt – erst D-Mark, dann Euro. Bild: dpa

BERLIN taz | Für den SPD-Haushaltsexperten Carsten Schneider zeigen die Schwierigkeiten von Finanzminister Schäuble, im nächsten Jahr einen ausgeglichenen Haushalt zu erreichen, vor allem eins: „Dass Herr Schäuble und die Koalition bisher nicht gespart haben.“ Statt die wirtschaftlich guten Zeiten für einen schnelleren Abbau der Neuverschuldung zu nutzen, habe Schäuble auf eine strukturelle Konsolidierung verzichtet, so Schneider. Auch Grünen-Haushälterin Priska Hinz hatte zuvor kritisiert, Schwarz-Gelb verweigere ernsthafte Sparmaßnahmen.

Ganz andere Schlussfolgerungen zieht die Linksfraktion im Bundestag: Sie drängt darauf, die staatlichen Einnahmen zu erhöhen. Um diese Forderung zu untermauern, haben die Steuerexperten der Linken, Axel Troost, Barbara Höll und Richard Pitterle, ausgerechnet, wie viel Geld dem Staat durch die von Rot-Grün und Schwarz-Gelb beschlossenen Steuersenkungen seit 1998 entgangen ist.

Bis 2011 beläuft sich der Fehlbetrag auf 235 Milliarden Euro. Davon entfielen 17 Milliarden auf die Kommunen, 81 Milliarden auf den Bund und 137 Milliarden auf die Länder, so die Berechnungen, die der taz vorliegen.

Berücksichtigt wurden dabei die Aussetzung der Vermögensteuer, die Absenkung der Körperschaftsteuer, die Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer, die geringere Besteuerung von Kapitalerträgen, die Senkung der Einkommensteuersätze und neue Freibeträge bei der Erbschaftsteuer; gegengerechnet ist die Erhöhung der Mehrwertsteuer. Anders als in bereits existieren Aufstellungen sind dabei die verfassungsgemäß gebotenen oder aus Sicht der Linken sinnvollen Maßnahmen – etwa die Erhöhung von Grundfreibeträgen und Kindergeld – nicht eingerechnet.

Hausgemachte Probleme

„Die Haushaltsprobleme sind hausgemacht“, folgert Axel Troost. Dass die deutschen Steuereinnahmen trotz der vorgenommenen Steuersenkungen auf dem höchsten Stand aller Zeiten liegen, wie Regierung und rot-grüne Opposition gern betonen, überzeugt den finanzpolitischen Sprecher der Linken nicht. „Wachsende Steuereinnahmen sind bei wachsender Wirtschaft völlig normal“, sagt Troost.

„In 52 der 61 Jahre seit Gründung der Bundesrepublik wurden Rekorde bei Steuereinnahmen erzielt.“ Ein besserer Indikator für die Staatseinnahmen sei das Verhältnis der Steuern zum Bruttoinlandsprodukt; diese Steuerquote lag 2011 mit 21,6 Prozent zwar wieder über dem Tiefststand von 2004, als nur 20,2 Prozent erreicht wurden – aber noch weit entfernt von jenen 23 Prozent, die von den 1960ern bis in die 1990er Jahre im Schnitt üblich waren. „Bereinigt um die Inflation sind die Staatsausgaben geschrumpft“, sagt Troost.

Die Linke setzt darum auf eine deutliche Ausweitung der Einnahmen. Neben der aufkommensneutralen Umgestaltung der Einkommensteuer mit Absenkungen am unteren und Erhöhungen am oberen Ende soll die Vermögensteuer wieder- und die Finanztransaktionssteuer neu eingeführt werden, die Gewerbesteuer in eine Gemeindewirtschaftssteuer umgewandelt und die Abgeltungssteuer abgeschafft werden, heißt es im Konzept der Abgeordneten. Zudem solle der Steuervollzug verbessert werden.

So ließen sich laut Troost die Einnahmen um 74 Milliarden Euro im Jahr steigern – womit die bisherigen Steuersenkungen deutlich überkompensiert würden. Eine Umsetzung aber ist nicht in Sicht. SPD und Grüne wollen zwar ebenfalls höhere Steuern, aber in weit geringerem Ausmaß.

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10 Kommentare

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  • HZ
    Hajo Zeller

    Was die "Schuldenabbauer" und "Sparkommissare" dieser Welt und vor allem der Bundesrepublik einmal erklären sollten:

     

    Wenn private Haushalte und Unternehmen in der Bundesrepublik einen positiven Finanzierungssaldo haben (sie bauen Geldvermögen auf, sie "sparen") nachzulesen in den alljährlichen Berichten der Bundesbank zur volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung und den Finanzierungssalden der einzelnen volkswirtschaftlichen Sektoren), wer bitte schön soll dafür die Gegenbuchung übernehmen und sich verschulden? "Der Staat" darf es nicht wg. Schuldenbremse, das Ausland soll es nicht wg. "Schuldenkrise". Ja bitteschön, wer denn dann? Die Marsmännschen, der Mann im Mond?

     

    Ein Abbau von Schulden (Verbindlichkeiten) ohne einen gleichzeitigen Abbau von Geldvermögen ist eine volkswirtschaftliche Unmöglichkeit!

     

    Daher zeigt die Debatte vor allem eines: Die politischen und ökonomischen Eliten dieser Republik sind monetäre Analphabeten, die grundlegende, zwingend gültige makroökonomische Zusammenhänge nicht verstanden haben.

     

    Preisfrage: Wie hoch ist das weltweite Geldvermögen? Wer nicht wie aus der Pistole geschossen "NULL" sagt, sollte sich dringend mit den makroökonomischen Grundlagen unseres Systems beschäftigen.

  • KH
    Karin Haertel

    Unsere Steuer- und Energie-Maffia unter Fuehrung der Kanzlermaffia Donna Angelina Merko(e)leone wird schon die naechsten als kriminell zu bezeichnenden Wucherpreise fuer neue Abgaben oder Umlagen aus dem Aermel schuetteln.

  • H
    History

    @ Echt glaubwürdig,

     

    da hat wohl jemand Geschichtsdemenz. Kleine Nachhilfe: Im Osten hat nicht Die Linke und in der Bundesrepublik nicht die Zentrumspartei regiert.

  • EG
    Echt glaubwürdig, hahahaha

    Die Fähigkeiten der "Linkspartei" zur Herstellung von Lebensqualität kann man sich noch an den Ruinen ihrer Diktatur un der daraus resultierenen Zustände ansehen. Mit etwas Phantasie kann man sich denken wie es dort ohne mehr als 1,5 Billionen Investitionen nach der Wende aussehen würde. Wo man dann nach der Wende mitregiert gibt es Straßen, Schulen und Sozialhilfe nur dank Zahlungen aus Bayern, BW und Hessen. Das ist so als ob jetzt Wowereit irgendwo auf der Welt als Flughafenexperte Flughafenbauer für Verschwendung kritisieren würde. Gäbe es dort die taz, dann gäbe es solche Artikel zu seinen Gunsten. Ideologie siegt immer über Realität.

    P.S.: Sehr glaubwürdig solche Artikel zu lesen während in der Seitenleiste eine fette Linkspartei-Anzeige die klamme taz-Kasse auffüllt. Woher das Geld dafür kommt will man bei der taz natürlich lieber nicht wissen, geschweige denn schreiben. Qualitätsjournalismus. Hahahahahahahahaha.

  • H
    hans

    Ja, so ist das mit rot-grün. Bloß nicht die Steuern der Wohlhabenden anfassen, das grenze ja an Solidarität.

  • C
    CarstenHan

    Na also!

     

    Endlich wird mal ganz klar und deutlich ausgesprochen, was der logische Verstand schon seit Jahren vermutet hat. Und: Warum ist die SPD mal wieder nicht dabei, entsprechende Konsequenzen zu ziehen?? Wahrscheinlich nur, weil der ungeliebte etwas linkere Bruder das jetzt losgelassen hat?

  • G
    Goldfinger

    Dem ist nichts hinzu zu fügen. Basta!

    Gern übertrumpfen sich ja die alteingesessenen Parteien gegenseitig mit ihrer Wirtschaftskompetenz. Das damit der Staat und die Daseinsvorsorge inklusive der Rentenversicherung ruiniert werden ist kein Zufall sondern Absicht, entgegen vieler Beteuerungen. Die jeweils Regierenden der vergangenen zwanzig Jahre lassen sich ohne Widerstand am Nasenring durch die Lobbyisten vorführen. Marktkonformität verbunden mit Eigennutz prägen leider unser Land und Besserung ist nicht in Sicht.

  • A
    Anna

    Solange Banken und Konzerne ihre Verluste dem Steuerzahler aufbürden können und die Gewinne für sich und ihre Manager einsacken können, solange die Politiker solche verbrecherischer Veruntreuung von Steuergeldern betreiben (Buchtipp: "der größte Raubzug der Geschichte", Tectum Verlag) wird es immer so weiter gehen, dass die Reichen immer reicher werden und der Mittelstand immer ärme - bis zum Kollaps und das heißt Bürgerkrieg. Die schleichende Enteignung ist im vollem Gange. EU-Politik ist absolut undemokratisch, da sitzen Leute, die nicht vom Volk gewählt sind und bestimmen über Gesetze und Verträge, die gegen jede Moral vestoßen. Ich frage mich nur, warum machen die das? Sind diese 5 % Superreichen so gierig, dass sie selbst Kriege für ihre Gier in Kauf nehmen? Menschenleben sind diesen Politikern und Managern nichts wert. Wenn Poliitker irgendwo einmarchieren, geht es nur um Rohstoffe, Menschenleben sind egal (siehe Mali). Da werden kurzerhand mal massenhaft Menschen gekillt, damit die Rebellen die Rohstoffe wieder freigeben. Warum die Rebellen Geiseln nehmen, erfährt man durch unsere Medien gar nicht. Komischerweise bringen die "Retter" meistens mehr Menschen um, als die "Terroristen". Aber in unseren Medien wird verschleiert, wer wen umgebracht hat. Es ist leider alles so unlogisch, was in den etablierten Medien steht, auch der Taz. Merkel sagt: "unsere Spareinlagen sind sicher" und die Taz macht keine Satire daraus? Klärt endlich auf und schreibt nicht ständig über Banalitäten! Das ist euer Auftrag als Journalisten in einer Demokratie, ansonsten seid ihr Handlanger der Mächtigen. Die Linkspartei wird zum Beispiel von den Medien massiv bekämpft. Ein Zeichen dafür, dass die Partei unbequem für die Mächtigen ist. Die einzige Partei, die demokratisch und menschlich ist?

  • JZ
    jan z. volens

    Endlich ist die Linke auf dem richtigen Gleis - beim Geld. Die Linke hat sich bisher an Randproblemen vergeudet - "Umwelt","Atom-Ausstieg", "Indigenenrechte" - alles zweitrangig fuer den Buerger auf der Strasse. IT'S THE MONEY, STUPID !

  • M
    mike

    Steuereinnahmen geschrumpft? Das ist ja was ganz neues, meine Steuerzahlungen ( >50.000,00 € ) jährlich steigen immer mehr. Und das bei einer Finanzverwaltung die jenseis des Rechts steht, (Kontopfändungen und umfassendes Auskunftsrecht ohne richterlichen Beschluss) Das abschöpfen von Menschen die nicht von Sozialtransfers leben hat neue Qualitäten erreicht.

    Und dann wollen die Linken uns erzählen das wir noch mehr zahlen sollen? ich kann garnicht soviel essen.....