Opposition in Syrien: Lange Geschichte des Dissens
Immer wieder wurde das Regime der Baath-Partei von Protesten herausgefordert. Höhepunkt war der Aufstand in Hama 1982. Damals starben 20.000 Menschen.
BERLIN taz | Syrien ist einer der wenigen arabischen Staaten, in denen es schon einmal freie Wahlen und eine freie Presse gab. Das war 1961. Zwei Jahre später war damit Schluss, als sich die bis heute herrschende Baath-Partei an die Macht putschte, die seither mit Notstandsgesetzen regiert. Dennoch gab es immer wieder politischen Dissens.
Die bislang stärkste Herausforderung des Regimes ging auf die syrische Intervention in den libanesischen Bürgerkrieg 1976 zurück. Proteste linker und palästinensischer Gruppen mündeten in eine Kampagne säkularer Gruppen für demokratische Reformen. Parallel dazu gingen die im Untergrund agierenden Muslimbrüder zu bewaffneten Angriffen auf Amtsträger des Regimes und Bombenattentaten über.
Höhepunkt war 1982 der Aufstand in der Stadt Hama, der gewaltsam niedergeschlagen wurde. Die Zahl der Toten wird auf bis zu 20.000 geschätzt. Danach senkte sich Friedhofsruhe über das Land. Zahlreiche Dissidenten verschwanden in den Gefängnissen, einige wurden zu sehr langen Haftstrafen verurteilt.
Nach dem Tod von Präsident Hafis al-Assad und der Amtsübernahme seines Sohnes Baschar, der in London studiert hatte und ein Computerfan ist, regte sich ein Lüftchen der Veränderung. Zwischen Juni 2000 und August 2001 bildeten sich zahlreiche Diskussionszirkel, die ein Ende der Notstandsgesetze, Amnestie für alle politischen Gefangenen und Meinungsfreiheit forderten. Doch dieser "Damaszener Frühling" war schnell wieder zu Ende, die Dissidenten wurden als "neokoloniale Bewegung" abgestempelt und die Zügel wieder angezogen.
Dennoch veröffentlichten kritische Intellektuelle weiter offene Briefe mit politischen Forderungen, darunter die "Damaszener Erklärung" vom Oktober 2005. Deren Unterzeichner - kleine Organisationen sowie Privatpersonen - schlossen sich 2007 im "Nationalen Rat der Damaszener Erklärung" zusammen, viele der Initiatoren wurden festgenommen.
Im Jahr 2005 hatte es im Vorfeld des Kongresses der Baath-Partei erneut Hoffnungen auf Reformen gegeben, auch in Reihen des Regimes. Das Ergebnis waren einige Ankündigungen, wie ein Ende des Einparteienstaates, Zulassung einiger Parteien und eine Änderung der Notstandsgesetze. Letzteres wurde gerade aufgehoben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Krieg in der Ukraine
Biden erlaubt Raketenangriffe mit größerer Reichweite
Haldenwang über Wechsel in die Politik
„Ich habe mir nichts vorzuwerfen“
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen
Zweite Woche der UN-Klimakonferenz
Habeck wirbt für den weltweiten Ausbau des Emissionshandels