Opposition in Russland: Kremlkritiker schließen Bündnis
Mehrere Organisationen planen, bei den kommenden Wahlen gemeinsam anzutreten. Sie wollen damit staatliche Schikanen zu umgehen.
MOSKAU taz | Die russische Opposition hat seit der Wiederwahl Wladimir Putins ins Präsidentenamt 2012 schwere Schläge einstecken müssen. Nach drei Jahren wachsender Willkür und gezielter Einschüchterung befindet sie sich in einem beklagenswerten Zustand. Der Mord an dem Kremlkritiker Boris Nemzow Ende Februar hat die Lage noch erschwert. Bislang war es nur Nemzow gelungen, die zerstrittene Opposition an einem Tisch zu versammeln.
Am Wochenende einigten sich dennoch einige Gruppierungen für die Regionalwahlen im Herbst und die Dumawahl 2016 mit gemeinsamen Listen anzutreten. Nemzows Partei RPR-Parnas geht voran und wird mit der Fortschrittspartei des Antikorruptionsbloggers Alexei Nawalny in den Wahlkampf ziehen. Da das Justizministerium der Fortschrittspartei Nawalnys die Registrierung verweigert, könnte sie als eigenständige Kraft an den Wahlen ohnehin nicht teilnehmen.
Auch die Bewegung Solidarnost will sich neben kleineren Organisationen und Parteien an dem Bündnis beteiligen. Aus dem Exil in der Schweiz sagte zudem Exoligarch und Öltycoon Michail Chodorkowski Unterstützung zu. Zurzeit führt in der RPR-Parnas der von Putin geschasste Expremier, Michail Kasjanow, die Geschäfte.
Da lockere Bündnisse nach russischem Gesetz an Wahlen nicht mehr teilnehmen dürfen, müsste eine neue übergeordnete Struktur gegründet werden. Es handele sich dabei jedoch nicht um eine „neue liberale Partei“, meinte Nawalny. Stattdessen soll ein Format geschaffen werden, in dem sich Sozialdemokraten, Liberale und Konservative gleichzeitig wohlfühlen können. Diese Struktur im Rahmen der RPR scheint nur als eine vorübergehende Wahlplattform gedacht zu sein, die Vertretern der Opposition unabhängig von der Parteizugehörigkeit die Möglichkeit bietet, zu kandidieren. Die Kandidaten sollen über interne Vorwahlen und soziologische Umfragen ermittelt werden.
Da Nemzow für die RPR-Parnass im Gebietsparlament von Jaroslawl saß, ist die Partei davon ausgenommen, aufwendige Unterschriftenlisten für ihre Kandidaten bei den Behörden einzureichen. Das ist eine Schikane, die den Einzug „nichtsystemischer“ Oppositionsparteien in die Parlamente verhindern soll.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Magdeburg nach dem Anschlag
Atempause und stilles Gedenken
Analyse der US-Wahl
Illiberalismus zeigt sein autoritäres Gesicht
Biden hebt 37 Todesurteile auf
In Haftstrafen umgewandelt
Jahresrückblick Erderhitzung
Das Klima-Jahr in zehn Punkten