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Opferschützerin über sexuelle Gewalt„Die Banden gibt es seit Jahren“

Die Täter von Silvester seien bekannt, sagt Opferschützerin Marianne Weich. Das Ausmaß und die sexuelle Gewalt aber seien neu.

Klarer kann ein Statement in und zu Köln derzeit wohl nicht sein. Foto: dpa
Konrad Litschko
Interview von Konrad Litschko

taz: Frau Weich, der Bundesinnenminister hat den Kölner Einsatz kritisiert: So darf Polizei nicht arbeiten. Hat er recht?

Marianne Weich: Zu dem Einsatz kann ich nichts sagen, ich war nicht vor Ort. Die Polizei ist bei Großlagen in Köln normalerweise sehr gut. Mit so einer Dimension wie zu Silvester aber konnte niemand rechnen.

Die Polizei hatte den Bahnhofsvorplatz wegen des Abfeuerns von Böllern geräumt, nicht aber die Übergriffe verhindert. Wie konnte das passieren?

Das ist sicher eine schreckliche Panne. Ich habe aber von verschiedenen Leuten gehört, dass die Polizisten auch abgedrängt wurden von den Tätern, teils bis hinter den Dom.

Gibt es wirklich eine neue Dimension der Gewalt?

Ja. Es gibt seit Jahren diese nordafrikanischen Banden am Bahnhof, die dort Straftaten begehen, auch indem sie Menschen antanzen, um sie dabei zu bestehlen. Die tun sich zu fünf bis acht Personen zusammen, das Diebesgut wechselt sofort von einem zum anderen. Die sind ganz schwer zu kriegen. Diese Vielzahl der Täter aber zu Silvester, die sich vorher offenbar organisiert zum Bahnhof begeben haben, das ist neu. Genauso wie die sexuelle Gewalt.

Im Interview: Marianne Weich

70, seit 28 Jahren beim Weißen Ring Köln. Vor ihrer Pen­sio­­nierung war sie bei der Kölner Kripo zuständig für Opferschutz.

Die Taten waren organisiert?

Diese Zahl, 1.000 Beteiligte, bedeutet, dass Täter auch aus anderen Orten gekommen sein müssen. So viele treffen sich sonst nicht am Bahnhof. Daher glaube ich, dass das organisiert war: Wir machen da mal Remmidemmi, um Frauen anzugehen.

Wer sind diese „Banden“?

Nordafrikaner, überwiegend Algerier, die schon lange in Deutschland leben. Jedenfalls sind es keine Flüchtlinge, wie es jetzt heißt, um Gottes willen.

Erste Verdächtige wurden identifiziert. Glauben Sie, die Polizei wird viele Täter schnappen?

Die Bundespolizei hat eine Kartei über die Nordafrikaner am Hauptbahnhof. Wenn die Opfer die Täter gut beschreiben können, bekommt man vielleicht den ein oder anderen. Aber ich glaube, das wird ganz schwer. Gerade weil viele Täter ja von auswärts kamen.

Was kann man tun? Oberbürgermeisterin Reker gab den Tipp, in Menschenmengen Abstand zu Fremden zu halten.

Ich glaube nicht, dass sich das realisieren lässt. Wenn hier der Karneval eröffnet wird, stehen die Menschen dicht gedrängt. Wie wollen Sie da Abstand halten? Man sollte vorsichtig sein, Wertgegenstände nicht offen tragen. Wenn Sie einer anfasst, schreien Sie ganz laut. Die Täter scheuen Öffentlichkeit. Man kann sich vor Verbrechen aber nie zu 100 Prozent schützen.

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12 Kommentare

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  • 7G
    73176 (Profil gelöscht)

    "Bei den Personalien-Feststellungen konnte sich der überwiegende Teil der Personen lediglich mit einem Registrierungsbeleg als Asylsuchender des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge ausweisen" Aus Einsatzleiterreport vom 2. Januar.

    Nun an die TAZ: Ich betrachte die taz weniger als Zeitung, sondern mehr als Blog, da die Artikel oft nicht gänzlich Werte frei sind. Aber bei so einem wichtigen Thema, bitte ich nochmal objektiv nachzurecherchieren.

    (Mir mehr Vorsicht zu genießen, da nicht von offizieller Seite: aus "Express" wird ein Beamter zitiert: 15 vorläufig festgenommene hätten "Aufenthaltsbescheinigungen zur Durchfürhung eins Asylverfahrens" bei sich getragen.)

    Vermutlich kann man davon ausgehen, dass diese Tätergruppe nicht repräsentativ für alle Flüchtlinge steht. Trotzdem müssen zuvor die Fakten auf den Tisch. Ohne die Fakten, kann man doch die zukünftigen Herausforderungen nicht lösen.

    • 7G
      73176 (Profil gelöscht)
      @73176 (Profil gelöscht):

      Und während ich diese Zeilen schrieb (siehe oben), meldet Welt online unter Berufung auf Polizisten, Überschrift: "Die meisten waren frisch eingereiste Asylbewerber". Die ich meine 20 Artikel in diesem Monat schon aufgebraucht habe, bin ich nun auf eine Stellungnahme der taz angewiesen.

      • 7G
        73176 (Profil gelöscht)
        @73176 (Profil gelöscht):

        Im Generalanzeiger Bonn lese ich, dass Ende letzten Jahres der Veranstalter einer "Refugees - Welcome" Party ebenfalls auf Facebook eine Entschuldigung abgeben musste, weil es auf der Veranstaltung zu erheblicher sexueller Belästigung kam.

        Ich kann nicht verstehen, warum so etwas nicht schon früher publik gemacht wird - das ist doch Wasser auf die Mühlen der "Lügenpresse" - Rufer.

  • Wenn es sich wirklich um Algerier handelt, dann sind dies keine Flüchtlinge, die derzeit über die Balkanroute aus der Türkei nach Deutschland gekommen sind. Über die Balkanroute kamen aus Nordafrika zwar Marokkaner und Tunesier, die derzeit noch visafrei in die Türkei einreisen können, nicht jedoch Algerier. Wobei sich die Türkei bis Oktober verpflichtet hat, keine visafreie Einreise in die Türkei mehr zu gestatten für Länder, die für die EU ein Visum brauchen.

  • Bei all diesen scheinbar so sachlichen Ausführungen dann doch eine derartige falsche Aussage: Es wurde von der Polizei eindeutig und immer wieder darauf hingewiesen, dass es keine 1000 Tatbeteiligte gab. Es hatten sich im Maximum 1000 Menschen auf dem Bahnhofsvorplatz versammelt. Es ist nicht ungewöhnlich, dass sich Sylvester auf diesem Platzt viele Menschen aufhalten. Unter diesen 1000 überwiegend nicht tatbeteiligten Menschen gab es kleine Gruppen von Tätern. Wer von 1000 Beteiligten spricht, dramatisiert absichtlich und unzulässig.

  • Wer sind diese „Banden“?







    [...]







    Auch wenn sich der rechte Mob angesichts der Taten im Kölner Hauptbahnhof an Silvester die Hände reibt, bitte ich darum Vermutungen nicht als feststehende Tatsachen darzustellen. Tatsache ist, dass wir zum derzeitigen Stand bisher nur Erkenntnisse zu einzelnen Tätern haben. Es kann derzeit nicht ausgeschlossen werden, dass eventuell auch Flüchtlinge unter den Tätern waren. Im Ergebnis sollte es aber egal sein, ob Flüchtlinge, Asylbewerber aus Nordafrika oder Deutsche die Taten begangen haben- für die betroffenen Frauen ist dies nämlich vollkommen egal welcher Nationalität die Täter angehören.







    Schließlich sollte auch die Zahl der 1.000 Beteiligten mit Vorsicht genossen werden. In einer großen Menschenmenge kann schließlich nur schwer unterschieden werden, wer Täter ist und wer nur zur falschen Zeit am falschen Ort war (ohne beurteilen zu wollen, inwieweit Umstehende ohne eigene Gefährdung hätten eingreifen können ).

     

     

    Kommentar wurde bearbeitet. Bitte vermeiden Sie Spekulationen.

  • Auch von mir erstmal Danke an Frau Welch für diese nüchternen und vernünftigen Aussagen.

     

    Ich kenne die Rechtslage dazu leider nicht genau, aber ich könnte mir vorstellen, dass verdeckte Ermittler/innen in diesem Bereich wesentlich effektiver sind wie in der Hamburger Flora.

  • 7G
    738 (Profil gelöscht)

    Das ist das gleiche hilflose Gestammel, das auch schon die Oberbürgermeisterin von sich gegeben hat. Wie wäre mit massiver Polizeipräsenz und die aktive Zerschlagung der Szene? Oder ist die Polizei nicht mehr in der Lage das durchzuführen?

  • Frau Weich hat einen sehr realistischen und vernünftigen Beitrag zu einer ansonsten furchtbar aufgeheizten Debatte geleistet.

     

    Was Bandenkriminalität angeht: mit deren Bekämpfung haben die europäischen Behörden in einem anderen Zusammenhang schon Jahrzehnte Erfahrung http://www.bpb.de/gesellschaft/kultur/jugendkulturen-in-deutschland/36231/hooligans

     

    Ansonsten kann man nur hoffen, dass die Menschen, die den Karneval besuchen, besser aufeinander acht geben als üblich.

  • Wer sind diese „Banden“?

    Nordafrikaner, überwiegend Algerier, die schon lange in Deutschland leben. Jedenfalls sind es keine Flüchtlinge, wie es jetzt heißt, um Gottes willen.

     

    1. Eine etwas provokante Frage: Sind das nun Langzeittouristen aus Nordafrika bzw. Algerien?

    Auch wenn sie vor langer Zeit nach Deutschland gekommen sind; aus welchem Grund sind sie gekommen?

    2. Es sind keine Flüchtlinge, um Gottes Willen. -> Warum um Gottes willen? Verstehe ich jetzt in diesem Zusammenhang nicht. Ich dachte, dass es immer um Menschen geht, und ob sie sich anständig also rechtskonform verhalten. Egal welche Herkunft und wie lange in Deutschland.

    Für mich liest sich das so:

    Flüchtlinge sind immer gut, weil schutzbedürftig.

    Aber in Deutschland schon länger lebende Ausländer, die dürfen wieder in gut und böse unterteilt werden.

    Entschuldigung, wenn ich nicht politisch korrekt schreibe. Mir fällt gerade kein anderes Wort für Ausländer ein. Ist nicht despektierlich gemeint.

  • Wirklich mal sachliche Ausführungen zum Thema. [...] Beitrag gekürzt. Bitte keine Verbreitung von Vorurteilen. Die Moderation

  • Endlich mal was Vernünftiges. Klare Aussagen, nachvollziehbare Argumentationen, keine Panikmache. Und ohne Verallgemeinerungen, auch nicht von "berichtenden" "KommentatorInnen".