Opferschützerin über sexuelle Gewalt: „Die Banden gibt es seit Jahren“
Die Täter von Silvester seien bekannt, sagt Opferschützerin Marianne Weich. Das Ausmaß und die sexuelle Gewalt aber seien neu.
taz: Frau Weich, der Bundesinnenminister hat den Kölner Einsatz kritisiert: So darf Polizei nicht arbeiten. Hat er recht?
Marianne Weich: Zu dem Einsatz kann ich nichts sagen, ich war nicht vor Ort. Die Polizei ist bei Großlagen in Köln normalerweise sehr gut. Mit so einer Dimension wie zu Silvester aber konnte niemand rechnen.
Die Polizei hatte den Bahnhofsvorplatz wegen des Abfeuerns von Böllern geräumt, nicht aber die Übergriffe verhindert. Wie konnte das passieren?
Das ist sicher eine schreckliche Panne. Ich habe aber von verschiedenen Leuten gehört, dass die Polizisten auch abgedrängt wurden von den Tätern, teils bis hinter den Dom.
Gibt es wirklich eine neue Dimension der Gewalt?
Ja. Es gibt seit Jahren diese nordafrikanischen Banden am Bahnhof, die dort Straftaten begehen, auch indem sie Menschen antanzen, um sie dabei zu bestehlen. Die tun sich zu fünf bis acht Personen zusammen, das Diebesgut wechselt sofort von einem zum anderen. Die sind ganz schwer zu kriegen. Diese Vielzahl der Täter aber zu Silvester, die sich vorher offenbar organisiert zum Bahnhof begeben haben, das ist neu. Genauso wie die sexuelle Gewalt.
70, seit 28 Jahren beim Weißen Ring Köln. Vor ihrer Pensionierung war sie bei der Kölner Kripo zuständig für Opferschutz.
Die Taten waren organisiert?
Diese Zahl, 1.000 Beteiligte, bedeutet, dass Täter auch aus anderen Orten gekommen sein müssen. So viele treffen sich sonst nicht am Bahnhof. Daher glaube ich, dass das organisiert war: Wir machen da mal Remmidemmi, um Frauen anzugehen.
Wer sind diese „Banden“?
Nordafrikaner, überwiegend Algerier, die schon lange in Deutschland leben. Jedenfalls sind es keine Flüchtlinge, wie es jetzt heißt, um Gottes willen.
Erste Verdächtige wurden identifiziert. Glauben Sie, die Polizei wird viele Täter schnappen?
Die Bundespolizei hat eine Kartei über die Nordafrikaner am Hauptbahnhof. Wenn die Opfer die Täter gut beschreiben können, bekommt man vielleicht den ein oder anderen. Aber ich glaube, das wird ganz schwer. Gerade weil viele Täter ja von auswärts kamen.
Was kann man tun? Oberbürgermeisterin Reker gab den Tipp, in Menschenmengen Abstand zu Fremden zu halten.
Ich glaube nicht, dass sich das realisieren lässt. Wenn hier der Karneval eröffnet wird, stehen die Menschen dicht gedrängt. Wie wollen Sie da Abstand halten? Man sollte vorsichtig sein, Wertgegenstände nicht offen tragen. Wenn Sie einer anfasst, schreien Sie ganz laut. Die Täter scheuen Öffentlichkeit. Man kann sich vor Verbrechen aber nie zu 100 Prozent schützen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
Die Wahrheit
Der erste Schnee
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Biden genehmigt Lieferung von Antipersonenminen