Online-Portal wenigermiete.de: Die Bremse ziehen
Das Gesetz zur Eindämmung der Neuvermietungspreise ist wirkungslos. Eine Webseite hilft, überhöhte Mieten zu erkennen – und zu senken.
Praktisch hat die Regelung jedoch so gut wie keine Wirkung. Eine Studie des Deutschen Mieterbundes in vier deutschen Großstädten sieht bis zu 95 Prozent der angebotenen Wohnungen über dieser Grenze. Die Mieter beanstanden die Abzocke kaum – dabei müssen zu hohe Mieten auch nach Unterzeichnung des Mietvertrages reduziert werden.
Wibke Werner vom Berliner Mieterverein sagt: „Viele Mieter sind froh, wenn sie eine Wohnung gefunden haben und scheuen die Konfrontation mit dem Vermieter.“ Dabei stehen die Chancen gut: Die wenigen Fälle, die bislang vor Gericht landeten, endeten für die Mieter erfolgreich.
Der Berliner Anwalt Daniel Halmer spricht von einem „Gesetz, das nicht angewandt wird“. Zusammen mit einem Partner bietet er seit Januar online eine Möglichkeit zur Überprüfung der eigenen Miete und der Durchsetzung einer Mietsenkung. Durch einen automatisierten Abgleich mit dem jeweiligen Mietspiegel können Mieter in Berlin, Hamburg und München – und bald auch in anderen Großstädten – herausfinden, ob sie zu viel Miete zahlen.
Wer nach Einführung des Gesetzes am 1. Juni 2015 in eine 70 qm große Altbauwohnung in Berlin-Neukölln gezogen ist, mit einfacher Ausstattung wie Heizung und gefliestem Bad, für eine Nettokaltmiete von 650 Euro, zahlt monatlich etwa 220 Euro zu viel. In nicht wenigen Fällen jedoch dürften bereits die Vormieter mehr bezahlt haben – dann muss der Vermieter die Miete auch nicht mehr senken.
Rüge für den Vermieter
Das Angebot von wenigermiete.de geht noch weiter. Mit wenigen Klicks kann man die Seitenbetreiber autorisieren, ein Schreiben an den Vermieter zu versenden. Darin wird dieser auf seine Auskunftspflicht hinsichtlich der Vormiete und einer möglichen Modernisierung hingewiesen – beides Tatbestände, die den errechneten Mietpreis noch nach oben korrigieren können. Darüber hinaus enthält das Schreiben die Rückforderung der zu viel gezahlten Miete.
Wibke Werner
Halmer betont ihre Rolle als professioneller Dienstleister: „Wir stehen für ein Entemotionalisieren des Verfahrens.“ Sein Idealbild: Die Nutzer der Seite klicken sich durch, geben den Auftrag für das Schreiben raus und vergessen das Ganze, bis ein, zwei Monate später eine Erfolgsmeldung kommt. Die kann auch in einem Vergleich enden, etwa wenn der Vermieter angegebene Wohnungsmerkmale anzweifelt. „Wir wollen eine Einigung ermöglichen“, sagt Halmer.
Aber auch der Gang vor Gericht ist eine Option. Das Angebot ist für die Mieter kostenfrei, bis es gelingt, die Miete dauerhaft zu senken. Dann verlangt das Portal eine Gegenleistung: die Mietersparnis von vier Monaten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Förderung von E-Mobilität
Habeck plant Hilfspaket mit 1.000 Euro Ladestromguthaben
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen