Betrugsfabrik in den Philippinen: Alice ist nicht mehr im Wunderland
Gefängnis statt Bürgermeister-Amt: Die philippinische Stadt Bamban verliert seine Bürgermeisterin Alice Guo. Sie ist wegen Menschenhandel verurteilt.
Als Alice Guo im Mai 2022 in der philippinischen Stadt Bamban zur Bürgermeisterin gewählt wurde, galt die damals 31-jährige Geschäftsfrau als sehr erfolgreich (sie soll sogar einen Hubschrauber besessen haben) und zupackend. Die chinesisch-stämmige Newcomerin setzte sich in der Stadt mit 80.000 Einwohnern hundert Kilometer nördlich von Manila als Unabhängige knapp gegen ihre Konkurrenten durch.
Kurz nach ihrem Einzug ins Rathaus verpachtete eine Firma unter ihrer Führung ein großes Gelände mit 36 Gebäuden darauf an eine Glücksspielfirma. Es grenzt laut Medienberichten direkt an Guos Amtssitz. Doch im März 2024 löste die Flucht eines Vietnamesen von dem Gelände einer Razzia aus. Dabei entdeckte die Polizei mehr als 700 Filipinos, Chinesen, Vietnamesen, Malaysier, Taiwanesen, Indonesier und Ruander, die in den Gebäuden zu kriminellem Cyberbetrug gezwungen wurden.
Die Glücksspielfirma betrieb eine sogenannte Betrugsfabrik, die im In- und Ausland lebende gutgläubige, unter Einsamkeit leidende Personen zu Investitionen verlockt, indem sie Interesse an einer Liebesbeziehung vortäuschen. Dann werden die Opfer mittels Kryptowährung und geschickter Manipulation um ihr Geld gebracht.
Dieses Geschäftsmodell vor allem chinesischer Triaden (Geheimbünde) und lokaler Mittelsmänner, bei dem die Mitarbeiter als sogenannte Cybersklaven Opfer und Täter zugleich sind, hat sein Epizentrum vor allem in Kambodscha und Myanmar.
Vom Online-Glücksspiel zum Online-Betrug
Nach der Legalisierung des Online-Glücksspiels unter Präsident Rodrigo Duterte (2016-22) breiteten sich die Betrugsfabriken auch in den Philippinen aus. Während Guo zunächst beteuerte, von den kriminellen Machenschaften nichts gewusst zu haben, bezeichnet das Webportal AsiaSentinal sie inzwischen als „Postergirl“ genau dieser Form der organisierten Kriminalität.
Dazu trugen auch Guos Ungereimtheiten und angebliche Erinnerungslücken bei. Die wurden bei Ermittlungen inklusive einer Anhörung im Senat deutlich und trugen ihr den Spitznamen „Amnesia Girl“ ein. Die Behörden stellten fest, dass die ihre Unschuld beteuernde Guo gar nicht in den Philippinen geboren wurde und auch nicht dessen Staatsbürgerschaft besitzt. Sie hätte gar nicht Bürgermeisterin werden dürfen.
Guo hatte sich als Tochter eines chinesisch-stämmigen Schweinezüchters ausgegeben, der seine philippinische Haushälterin geschwängert hatte. Laut den Ermittlungen heißt sie aber Guo Hua Ping und wuchs in Chinas Provinz Fujian als Kind von Geschäftsleuten auf. Auch sei sie fünf Jahre jünger als angegeben.
Irgendwann wurden Guo die Ermittlungen zu heiß. Sie floh ins Ausland, wurde aber im September 2024 in Indonesien festgenommen und dann in die Philippinen ausgeliefert. Zu der Zeit wurde ihr auch von einem inhaftierten chinesischen Casinoboss wohl zu dessen eigener Entlastung Spionage für Peking vorgeworfen.
Guos Fall erhöhte den öffentlichen Druck auf Präsident Ferdinand Marcos Jr., die von seinem Vorgänger Duterte vorgenommene Legalisierung des Online-Glückspiels schließlich wieder rückgängig zu machen. Was 2024 auch geschah.
Misstrauen gegen China
An diesem Donnerstag endete der erste große Prozess gegen Guo. Mit sieben Komplizen wurde sie wegen Menschenhandels zu lebenslanger Haft verurteilt. Verfahren wegen Geldwäsche und Bestechung sind noch anhängig.
In den Philippinen erregt Guos Fall auch deshalb die Gemüter, weil Manila mit Peking erbittert um Inseln im Südchinesischen Meer streitet und noch kein Rezept gegen Chinas Vordringen gefunden hat. Eine kriminelle Chinesin, der sogar (unbewiesen) Spionage vorgeworfen wird, passt da ins Bild des Misstrauens.
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