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Olympische SpieleÜberall nur noch Sicherheitszonen

In Paris sind wegen der Terrorgefahr 45.000 Sicherheitskräfte im Einsatz. Die Eröffnungsfeier an der Seine ist besonders herausfordernd.

Große Anspannung vor der Eröffnung: Polizeibeamte sind nicht nur an den prominenten Stellen von Paris postiert Foto: Stefano Rellandini/dpa/afp

Am Wochenbeginn ist die olympische Delegation mit einem Sonderflug aus Israel in Paris eingetroffen. Sie wird rund um die Uhr von französischen Polizisten in Uniform und in Zivil, aber auch von israelischen Sicherheitsleuten ganz speziell gegen mögliche Angriffe geschützt. Niemand hat den terroristischen Anschlag und die Ermordung von elf Israelis bei den Sommerspielen in München 1972 vergessen. Und der aktuelle Kontext des Kriegs im Nahen Osten stellt für die Organisatoren und das Innenministerium in Paris einen zusätzlichen Grund zur höchsten Wachsamkeit dar.

Es geht nicht nur darum, diese Gäste wie alle anderen Delegationen gegen Terroristen zu schützen, sondern auch gegen alle anderen denkbaren Angriffe. Der Konflikt zwischen Israel und den Hamas hat längst auf die französische Politik abgefärbt und erhitzt die Gemüter.

Ein Abgeordneter der Linkspartei La France insoumise, Thomas Portes, hatte wegen der derzeitigen Intervention in Gaza erklärt, die Israelis seien bei den Olympischen Spielen „nicht willkommen“. Innenminister Gérald Darmanin dagegen meint dazu empört, Portes habe damit den Israelis, die an den Wettbewerben teilnehmen, gleichsam eine Zielscheibe (für palästinensische Terroristen) angeklebt. In Frankreich gilt aber bereits seit Monaten wegen einer terroristischen Bedrohung die höchste Alarmstufe.

Selbstverständlich hoffen die Regierung und die Organisatoren, aber auch die schärfsten Kritiker, dass bei der Eröffnung am Freitag und danach in den kommenden Wochen alles gut geht. Die Sicherheitsverantwortlichen aber müssen alle absehbaren Gefahren und vorstellbaren Katastrophenszenarien ernst nehmen.

Kreisende Hubschrauber

Insgesamt 45.000 Polizeibeamte und Angehörige der Gendarmerie aus dem ganzen Land sind im Einsatz, sie werden unterstützt durch Delegationen von ausländischen Polizeikräften, vor allem aus europäischen Ländern, sowie durch Tausende von Hilfskräften, die ebenfalls für Kontrollen an den Zugängen und den guten Ablauf der Wettkämpfe zuständig sind. Am Himmel von Paris drehen Hubschrauber der Polizei und der Armee unentwegt ihre Runden.

Das massive Polizeiaufgebot ist bereits in den Tagen vor dem offiziellen Beginn sehr sichtbar im Stadtzentrum, wo in mehreren Sportdisziplinen um Medaillen gekämpft wird. Frankreichs Offizielle wollen zeigen, dass sie für die Sportler und das Publikum aus aller Welt das Maximale leisten.

Eine besonders knifflige Aufgabe für die Organisatoren stellt indes die Eröffnungszeremonie auf der Seine dar. Die Zahl der am Freitagabend zugelassenen Zuschauer wurde mehrfach nach unten korrigiert, um so zumindest die unvermeidlichen Risiken zu begrenzen. Die meisten Brücken wurden schon eine Woche vorher für jeglichen Verkehr und selbst die Fußgänger gesperrt.

Die Delegationen der teilnehmenden Länder sind auf den rund 90 Flusskähnen, auf denen sie durch das Herz von Paris paradieren, doch sehr exponiert. Auf dem Flughafen Le Bourget wurde den Medien gezeigt, wie Spezialisten der französischen Streitkräfte mögliche Angriffe mit Drohnen aus der Luft vereiteln wollen.

An der Grenze zur Schikane

Schon mehrere Tage vor der Eröffnung ist eine „graue Zone“ in Kraft, in der Unbefugte ohne spezielle Erlaubnis keinen Zugang haben. Diese Zone entlang der Seine und rund um die olympischen Austragungsorte und die Tribünen hat die französische Hauptstadt für den Verkehr zu Fuß und mit Fahrzeugen de facto in zwei Teile links und rechts der Seine getrennt.

In der erweiterten „roten Zone“ können die Fußgänger zwar grundsätzlich ohne Identitätskontrollen oder spezielle Ausweise passieren, doch die Fahrzeuge werden von den Polizisten nur durchgelassen, wenn sie für berufliche Transporte nach einer Sicherheitsüberprüfung einen QR-Code vorweisen können. Dasselbe gilt für die Quartierbewohner, die ihre Wohnadresse belegen müssen.

Den Polizeibeamten fällt die Überprüfung und die Auslegung dieser Kriterien nicht immer leicht. Manchmal grenzt dies an eine Schikane. Ein Hoteldirektor erzählt, mehrfach seien internationale Gäste noch vor der Sicherheitszone vom Taxifahrer ausgeladen und so gezwungen worden, mit ihrem Gepäck 200 Meter zum Hotel zu Fuß zurückzulegen. Andere Beamte verlangten einen QR-Code, hätten aber kein Gerät, um diese vorgewiesenen kodierten Informationen auch prüfen zu können. Die ungeduldigen Einheimischen, sofern sie ihr polizeilich abgeriegeltes Quartier nicht bereits für ein Urlaubsexil verlassen haben, ärgern sich wegen der permanenten Kontrollen in roten und grauen Zonen bereits grün und blau.

Viel schlimmer aber sind die wirtschaftlichen Nebenwirkungen für die Geschäfte, Cafés und Restaurants, die das Unglück haben, derzeit hinter mehr als zwei Meter hohen Gitterzäunen weggesperrt zu sein, was Touristen und Stammgäste nicht gerade dazu einlädt, einen Laden zum Shopping zu betreten oder hinter Gittern auf der Terrasse oder an den Tischen Platz zu nehmen.

Die Berufsverbände, denen für die kommenden beiden Wochen olympische Spitzenumsätze verheißen worden waren, klagen nun über Geschäftseinbusen von bis zu 80 Prozent und verlangen vom Staat bereits Schadenersatz.

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