Olympische Spiele: Berlin, mach du's!
Vier Zimmer pro Olympiatourist und eine Mauer um das olympische Dorf: Warum unser Hamburger Autor die Spiele an die Spree wegloben will.
Berlin kann Olympia. Anders als Hamburg hat die Hauptstadt das schon gezeigt. „Ich glaube, Berlin hat in den vergangenen Jahrzehnten bewiesen, dass Berlin in der Lage ist, internationale Großereignisse durchzuführen“, sagte der scheidende Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) bei der Vorstellung der Berliner Bewerbung am Montag. Wir wissen nicht, ob er das auf die Olympischen Spiele von 1936 bezogen haben will. Könnte er aber. Denn damals haben die Berliner eindrucksvoll demonstriert, dass sie auch unter, nun ja, schwierigen äußeren Bedingungen einen guten Eindruck machen können.
Berlin kann warten. Falls es nicht gleich auf Anhieb klappt mit der deutschen Bewerbung, weil der DFB dem DOSB mit einer Bewerbung um die Fußball-Europameisterschaft 2024 zuvorkommt – dann könnte Berlin sogar ein rundes Jubiläum begehen: 2036 wäre es so weit, nach hundert Jahren kehrten die Spiele an die Spree zurück. Das IOC mag solche symbolträchtigen Daten, wie es mit der Vergabe an Athen für 2006 bewiesen hat, 108 Jahre nach den ersten Spielen der Neuzeit. Und das Allerbeste: In Berlin wäre sogar das Olympiastadion noch dasselbe. So viel Nachhaltigkeit soll erst mal jemand nachmachen.
Internationalität sind die Berliner von heute gewohnt – anders als damals. Ausländer gehören ganz selbstverständlich zum Stadtbild, die Jugend der Welt ist längst da: Türken, Araber, Russen, Polen, Amerikaner, Spanier, Schwaben. Berlin könnte Olympische Spiele zur Not auch ohne Touristen veranstalten, Fangruppen für die meisten Teilnehmerländer würden sich in der Stadt schon finden. Aber natürlich hofft man, die Welt wieder einmal zu Gast bei Freunden zu haben. Und dafür ist Berlin deutlich besser gerüstet als Hamburg.
Die Hotelkapazität: 140.000 Betten hält Berlin schon jetzt bereit, 160.000 könnten es nach Schätzungen in zehn Jahren sein. Dabei verlangt das IOC nur 42.000. Jeder Olympiatourist könnte also drei bis vier Zimmer gleichzeitig bewohnen, während Hamburg mit seinen 54.237 Betten die Gäste mal gerade eben so unterkriegt.
Die Verkehrsanbindung: Der Großflughafen BER wird Mitte der 2020er Jahre vermutlich gerade fertig sein und also noch schön neu glänzen. Und wenn das doch nicht klappt? Nun, selbst der alte Flughafen Tegel fertigt mit fast 20 Millionen Passagieren im Jahr noch anderthalb mal so viele ab wie Hamburg-Fuhlsbüttel. Und das olympische Dorf, das in Tegel eigentlich entstehen sollte, müsste dann eben auf einem anderen Exflughafen gebaut werden: in Tempelhof. Die Fläche haben die Berliner in einem weisen Volksentscheid ja gerade frei gehalten.
Apropos Volk: Der Berliner Senat hat es in seiner Onlineumfrage ja vermieden, zu fragen, ob die Menschen Olympia eigentlich wollen. Dabei hätte er sich keine Sorgen machen müssen: Forsa hat zwar herausbekommen, dass 46 Prozent der Berliner gegen die Spiele sind. Aber das liegt vor allem an den Älteren. Bis die Spiele irgendwann wirklich kommen, sind die meisten von denen längst dement oder tot.
Auch bei der Sicherheit kann Berlin punkten: Das olympische Dorf könnte mit einer Betonmauer umfriedet werden. Solche Bauwerke genießen in der ehemals geteilten Stadt eine hohe Akzeptanz und lösen in weiten Teilen der Bevölkerung immer noch nostalgische Gefühle aus. Und hinterher, das zeigt die Erfahrung, machen die Menschen den Rückbau gern zu einer Art Happening und verkaufen die Einzelteile als Souvenirs in alle Welt – ein Beitrag zur finanziellen Nachhaltigkeit der Spiele. Außerdem wird die Stadt perfekt überwacht. Man müsste lediglich bei der NSA um Amtshilfe bitten, damit sie für ein paar Wochen ihre Erkenntnisse mit den deutschen Behörden teilt.
Die Fußballwettbewerbe würden nach der Berliner Bewerbung an lauter unterklassigen Fußballstandorten ausgetragen, nörgeln jetzt die Ersten. Ihnen sei gesagt: Bis 2024 ist Leipzig wahrscheinlich Deutscher Meister, das entsprechende Stadion haben sie schon. Und Magdeburg war immerhin mal Europapokalsieger. Da können Hamburgs Partner Wolfsburg und Hannover beim besten Willen nicht mithalten.
Dass Motorsport nicht olympisch ist, ist eigentlich schade: Die Avus würde einen Traum von einem innerstädtischen Rennkurs abgeben. Aber bis 2024 ist ja noch jede Menge Zeit, und das IOC ist manchmal erstaunlich flexibel.
Das nötige Selbstbewusstsein bringt Berlin auf jeden Fall mit. Wo Hamburg vor den Granden des Internationalen Olympischen Komitees buckelt, verkündete Berlins SPD-Chef Jan Stöß: „Eigentlich müsste das IOC sich bei uns bewerben und nicht umgekehrt“ – und machte „eine grundlegende Reform“ des Gremiums mit den „intransparenten, korrupten Strukturen“ zur Bedingung. Eine Anregung, die das in einer Phase der Selbstkritik befindliche Komitee sicher gern aufnehmen wird.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Nachhaltige Elektronik
Ein blauer Engel für die faire Maus
James Bond
Schluss mit Empfindsamkeit und Selbstzweifeln!
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach