Olympische Spiele und Coronavirus: Wenn Sport zurücktritt
Trainingslager, Rekordjagden, Qualifikationsturniere: Alles wird wegen der angespannten Gesundheitslage in China plötzlich relativ.
I n großen Teilen Chinas kommt nicht nur das normale Leben zum Erliegen, sondern auch der Sport. Das Coronavirus beherrscht mehr und mehr den Alltag von Millionen Chinesen. Nach fahrlässigem Zögern hat die Kommunistische Partei Chinas drastische Maßnahmen zur Eindämmung der Epidemie ergriffen. Das betrifft in erster Linie die Bewegungsfreiheit der Menschen, also auch die von Dopingkontrolleuren. Chinas Test-Agentur hat die landesweiten Blut- und Urinabnahmen mit Rücksicht auf die Gesundheit von Sportlern und Kontrolleuren ausgesetzt.
Es ist nicht mehr wichtig zu wissen, ob sich Epo im Sportlerkörper befindet, von Interesse ist vielmehr ein Virus, das sich verblüffend leicht von Mensch zu Mensch überträgt und das Zeug hat, auch in Europa – nimmt man allein den Run auf Mundschutz und Desinfektionsmittel als Indiz – für Angst und Schrecken zu sorgen.
China begibt sich seuchenbedingt in die Isolation, mit drastischen Auswirkungen auf den Sport. Die Chinesen haben anscheinend keine andere Wahl. Dass eine Nation, deren Athleten sich auch als Botschafter im Trainingsanzug zu begreifen haben, willens ist, auf das Prestige von Podestplätzen zu verzichten, spricht für einen gewissen Ernst der Lage. Sport gerät in so einer Situation zur Nebensache. Die Direktive der KP lautet: Volkes Gesundheit ist wichtiger als der Medaillenspiegel.
Stark beeinträchtigt ist derzeit schon die Vorbereitung auf die Olympischen Spiele im Sommer. Turniere für die Qualifikation im Fußball, Basketball und Boxen wurden verlegt, die Beachvolleyballer bangen um drei wichtige Turniere in China, bei denen es um Tickets für Tokio geht.
Turniere, die für Olympia wichtig sind, wurden abgesagt
Die chinesische Handball-Nationalmannschaft der Frauen hat wegen des Ausbruchs die Teilnahme an einem Olympia-Qualifikationsturnier abgesagt. Die Leichtathletik-Hallen-WM, die für Mitte März in Nanjing angesetzt war, findet dort nicht mehr statt. Am Mittwoch wurde ein großes Reitturnier in Hongkong gestrichen. Spiele in der asiatischen Fußball-Champions-League mit chinesischer Beteiligung wurden verlegt. Der Asien-Meisterschaft der Badminton-Spieler, die im Epizentrum der Krise, in Wuhan, stattfinden soll, droht wohl das gleiche Schicksal. Die Formel 1 überlegt, das Rennen in Schanghai abzusagen.
Chinas Sportler und Sportlerinnen, die noch die Chance haben, an internationalen Wettkämpfen teilzunehmen, treffen auf eine Skepsis, die sich aus zwei Quellen speist: der berechtigten Angst vor einer Pandemie und der irrationalen Scheu vor dem Kontakt zu allen Menschen, die irgendwie „chinesisch“ aussehen. Es ist für viele Veranstalter wohl nicht ganz einfach, auf dem schmalen Grat – links und rechts gähnen die Abgründe aus Rassismus und Verharmlosung – zu wandeln und angemessene Maßnahmen zu verordnen.
Beim Shorttrack-Weltcup in Dresden wurde die chinesische Abordnung mit Thermometern empfangen. Es musste sich aber nicht nur die chinesische Mannschaft bei der Ankunft einem Gesundheitscheck unterziehen, alle Athleten, Trainer und Betreuer wurden examiniert. Ähnlich geht es beim Weltcup der Eisschnellläufer am Wochenende in Calgary zu.
Auch die Olympiaveranstalter in Tokio wissen nicht so recht, wie sie mit dieser Coronavirus-Sache umgehen sollen. „Wir sind sehr in Sorge, dass die Ausweitung des Virus wie eine kalte Dusche auf die Spiele wirken könnte“, sagte Organisationschef Toshiro Muto am Mittwoch. Ein paar Stunden später wurde er mit den Worten zitiert: „Es ist wichtig, objektiv zu bleiben und einen kühlen Kopf zu bewahren.“ Die Verunsicherung ist mit Händen zu greifen. Allen Sportfreunden in China (und Asien), die unter der Quarantäne ihrer Helden leiden, sei gesagt: Es gibt Wichtigeres als Leistungssport.
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