Olympische Sommerspiele 2020: London, Rio … Tokio!
Japan jubelt: Tokio richtet nach 1964 zum zweiten Mal die Olympischen Sommerspiele aus. In der Stichwahl wurde Istanbul deutlich besiegt, auch Madrid hatte keine Chance.
BUENOS AIRES/MADRID dpa | Die japanischen Olympia-Macher feierten ausgelassen mit „Yokoso Nippon 2020“-Rufen – „Willkommen in Japan 2020“. Der deutlich Sieg 60:36 Stimmen im Wahlfinale gegen Istanbul drängte auf der Siegerparty am Samstagabend in Buenos Aires sogar die großen Sorgen um die Reaktorruine in Fukushima in den Hintergrund.
„Ich bin überwältigt. Die Freunde war größer als bei meinem eigenen Wahlsieg“, erklärte Japans Premierminister Shinzo Abe, der den IOC-Mitgliedern während Tokios leidenschaftlicher Abschlusspräsentation versichert hatte, die Probleme in Fukushima seien „unter Kontrolle“.
Tokio darf als fünfte Stadt in der olympischen Geschichte nach Athen (1896/2004), Paris (1900/1924), London (1908/1948/2012) und Los Angeles (1932/1984) zum zweiten Mal das Ringe-Spektakel ausrichten. Japan ist sogar bereits zum vierten Mal Olympia-Gastgeber.
„Glückwunsch an Tokio. Wir sind zuversichtlich, dass unsere Freunde ausgezeichnete Spiele ausrichten werden“, sagte IOC-Präsident Jacques Rogge bei der Unterzeichnung des Veranstaltervertrages drei Tage vor dem Ende seiner zwölfjährigen Amtszeit. Der dritte Bewerber, Madrid, war im ersten Durchgang in einer Stichwahl mit Istanbul ausgeschieden – zuvor hatten beide Städte je 26 Stimmen erhalten.
„Das war eine Grundsatzentscheidung für Tradition und Stabilität und gegen den Aufbruch zu neuen Ufern“, kommentierte IOC-Vize Thomas Bach. Nach den Winterspielen 2018 im südkoreanischen Pyeongchang darf sich die aufstrebende Sportmacht Asien über den nächsten Milliardengewinn freuen. Istanbul, zum fünften Mal angetreten, scheiterte dagegen mit seinem Plädoyer für eine Olympia-Premiere in der muslimischen Welt.
Fackellauf durch Fukushima
„Ich werde noch heute nach Hause fliegen und mit der Arbeit beginnen“, versprach Abe, nachdem er seine Aufgabe als Krisenmanager erfüllt hatte. Das gefährdete Gebiet in Fukushima würde sich auf eine Fläche von 0,3 Quadratkilometer beschränken und die sei abgesichert, so Abe in Tokios 45-minütiger Vorstellung vor den 101 IOC-Mitgliedern, von denen 96 beim entscheidenden Votum abstimmen durften. Tokios Gouverneur Naoki Inose offenbarte hinterher, der olympische Fackellauf werde auch durch das betroffene Gebiet führen.
Im 18.400 Kilometer entfernten Tokio schien die positive Nachricht um 05.20 Uhr Ortszeit am Sonntagmorgen wie ein Mutmacher für die krisenerprobten Bürger zu wirken. Im Vergnügungsviertel Shibuya skandierten Tausende „Nippon! Nippon!“. Das Massenblatt Asahi Shimbun feierte den erfreulichen Anlass mit einer Sonderausgabe.
„Entdecke das Morgen“ war der Slogan der Japaner, die auch bei ihrer zweiten Bewerbung auf ihr kompaktes Sportstättenkonzept in zwei Zonen setzen. 85 Prozent der Wettkampfstätten liegen in einem Radius von gerade mal acht Kilometern zum olympischen Dorf.
Istanbul ist nach der Pleite immerhin großer Favorit auf die Ausrichtung der Halbfinals und des Endspiels der Fußball-EM 2020. Der Deutsche Fußball-Bund hatte bereits zuvor angekündigt, eine eigene Final-Bewerbung mit München als Spielort zugunsten der Türken zurückziehen zu wollen und sich nur um Gruppenspiele und ein K.o.-Duell zu bemühen.
Für eine eventuelle Bewerbung Münchens um die Winterspiele 2022 hat der Sieg Tokios praktisch keine Konsequenzen. „Ich gratuliere Tokio. Jetzt wissen wir, wo wir stehen. Nach der Landtagswahl in Bayern und der Bundestagswahl werden wir unsere Entscheidung bekanntgeben“, sagte Michael Vesper, Generaldirektor des Deutschen Olympischen Sportbundes, der Nachrichtenagentur dpa. Die nötigen Vorarbeiten für eine weitere Kandidatur laufen längst parallel.
Enttäuschte Spanier
Die spanische Sportpresse reagierte auf die Vergabe der Spiele an Tokio mit wütenden Angriffen auf das Internationale Olympische Komitee (IOC). "Madrid hat Verstand, das IOC nicht", titelte die Sportzeitung As am Sonntag. Das Konkurrenzblatt Marca meinte: „Das IOC lehnt das (Madrider) Prinzip der Sparsamkeit ab und votiert für die Verschwendung von Investorengeldern.“
Die spanische Hauptstadt, die bereits mit ihren Bewerbungen für die Spiele 2012 und 2016 gescheitert war, hatte sich diesmal besonders große Hoffnungen gemacht. Nach dem überraschenden Scheitern Madrids in der ersten Abstimmungsrunde suchten die Spanier nach Gründen. „Die Niederlage zeigt, dass Spanien in der Welt an Einfluss verloren hat“, schrieb die Zeitung El Mundo.
Demgegenüber meinte El País: "Das im Überfluss schwelgende IOC wertete die Austerität der Madrider Kandidatur als ein Zeichen von Schwäche." Ministerpräsident Mariano Rajoy, der der spanischen Delegation beim IOC-Treffen in Buenos Aires angehört hatte, betonte: „Das Resultat gefällt uns nicht. Aber so ist das Leben. Im Sport verliert man mal und mal gewinnt man.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Anbrechender Wahlkampf
Eine Extraportion demokratischer Optimismus, bitte!