Olympia und Politik: Sportereignis zur Selbstdarstellung
Detroit, München und Rom: Die Historikerin Eva Maria Gajek hat untersucht, wie Staaten mit Olympia ihr Image aufpolieren.
Nein, die Olympischen Spiele kommen nicht. Das gigantische Sportfest Olympia fiel bei den Bürgern durch. Zu groß waren die Vorbehalte gegen das Internationale Olympische Komitee (IOC), zu wenig überschaubar die finanziellen und ökologischen Folgen des Spektakels; deshalb entschieden sich die Bayern im vergangenen November gegen eine Bewerbung um die Winterspiele 2022.
Bedenken gegen die XX. Olympischen Sommerspiele in München gab es auch 1972, als das Spektakel dort ausgetragen wurde. Doch gelang es den Organisatoren, diese geschickt zu zerstreuen. München wollte der Welt beweisen, wie sehr sich die Stadt seit dem Zweiten Weltkrieg verändert hatte. Kein Hitler-Ambiente mehr, stattdessen war eine heitere Party geplant. Die Spiele sollten eine Inszenierung werden, um der Welt und den Bündnispartnern ein neues Gesicht zu zeigen.
Ähnliche Ziele besaß zuvor Italien, das in Rom 1960 die Spiele austrug. Auch dieser Gastgeber kämpfte bei den Sommerspielen gegen ein Image an. Dies hatte aber weniger mit der faschistischen Vergangenheit zu tun als vielmehr mit seiner neu erlangten Rolle als Industrienation: Italien wollte sich von dem Image als armes, agrarisch geprägtes Land verabschieden. Nutzen sollten ihm dabei die antike Geschichte und die Erfolge des Wirtschaftswunders nach 1945.
Die Gießener Historikerin Eva Maria Gajek untersucht in ihrem Buch „Imagepolitik im olympischen Wettstreit. Die Spiele von Rom 1960 und München 1972“ die beiden Imagekampagnen der einstigen Achsenmächte. Sie erweitert damit den bisherigen Blickwinkel der Einzeldarstellungen der beiden Spiele und schafft es mit einem diachronen und binationalen Vergleich, die Parallelen und Unterschiede der Länder aufzuzeigen.
„Geld und Politik“
Vier Jahre recherchierte Gajek für ihr Buch, anders als andere Autoren bisher konzentrierte sie sich auf den medialen Aspekt der Spiele, „denn die postfaschistische Selbstdarstellung war ohne Massenmedien nicht denkbar“, so Gajek.
Sie untersucht die internationalen Reaktionen, zeigt aber auch, welch großen Anteil die Medien selber an dem Ereignis hatten. Dies wird bereits an den Vorbereitungen deutlich. Denn Journalisten saßen in den Komitees, halfen den Organisatoren bei der internationalen Medienkontaktarbeit und beteiligten sich intensiv an den Diskussionen über das passende Image. Gajek richtet damit nicht nur den Blick auf die Berichte und Fernsehbeiträge, sondern lässt die Journalisten und deren Arbeitstechniken deutlich werden.
Bevor Gajek aber der internationalen Rezeption der zwei Sportereignisse nachgeht, resümiert sie die Olympischen Spiele der Neuzeit und unter dem passenden Titel „Geld und Politik“ die Bewerbungen beider Ländern. Sie schildert die korrumpierende Geschenkvergabe, mit der Konkurrenten ausgestochen werden sollen. Weil etwa die US-Industriestadt Detroit die Spiele 1962 austragen wollte, schenkte sie den IOC-Mitgliedern Miniaturmodelle eines Luxuswagens.
Gajeks Buch ist ein überzeugender, nüchterner und klug argumentierender Beitrag zur Geschichte der kulturellen Re-Integration nach dem Zweiten Weltkrieg. Ihr binationaler Vergleich glänzt mit Detailreichtum, mitunter kaum bekannten Hintergründen. Dopingfälle, Menschenrechtsverletzungen, Wettskandale, Bestechungsaffären waren letztlich nur Störgeräusche. Sie konnten die Strahlkraft Olympias nicht mindern, bis in die Gegenwart.
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