Olympia-Vergangenheit des Quizmasters: Robert Lembkes Schweinderl
Kriege, Gigantismus, Kommerzialisierung: Der verstorbene Quizmaster und Holocaust-Überlebende Robert Lembke ist heute noch als Sportkritiker aktuell.
N eulich hörte ich mir den Langschwatz-Podcast der Zeit mit Günther Jauch als Gast an. Der berichtete in der zweiten Stunde darüber, wie er im Alter von 12 Jahren den Robert-Lembke-Moderatorenwettbewerb auf der Funkausstellung gewonnen habe. Robert Lembke, sagten die Langschwatzenden, den kenne heute keiner mehr.
Ich bin so alt, dass ich mit dem Namen etwas anfangen kann. Ich kann mich gut an die „Was bin ich?“-Sendungen im Westfernsehen erinnern, im Sessel bei den Großeltern sitzend tauchte ich ein in die behagliche Atmosphäre harmloser Unterhaltung. Jauch sagt dann im Zeit-Podcast: „Der war nur so als Rateonkel bekannt, hatte aber mehr auf dem Kasten.“ Lembke sei Chef der Mission bei den Olympischen Sommerspielen 1972 in München gewesen, behauptet Jauch, also irgendwie dem großen Sport verbunden.
Delegationsleiter der Olympiasportler war der Mann mit den Schweinderln und den 5-Mark-Stücken zwar nicht, aber immerhin Direktor des Deutschen Olympia-Zentrums (DOZ). Er sorgte dafür, wie es „Im großen Handbuch der Olympischen Sommerspiele“, herausgegeben von Lembke selbst, heißt, dass die Spiele „durch Funk und Fernsehen in die ganze Welt übertragen werden“. Dieser Lembke, der eigentlich Robert Emil Weichselbaum hieß und dessen Vater Jude war, hatte in der Tat mehr auf dem Kasten. Der abgebrochene Jurastudent und ehemalige Sachbearbeiter der IG Farben hatte sich nach journalistischen Anfangsjahren bei der Münchner Neuen Zeitung vor allem ums Administrative im Öffentlich-Rechtlichen verdient gemacht. Vom Sportkoordinator der ARD stieg er auf zum Alleinherrscher über 1.500 Techniker und Verwalter von 125 Millionen Mark als Geschäftsführer des DOZ; nebenbei verfasste der Hundefreund das Standardwerk „Kurzgefasste Dackelkunde“.
Im Vorwort des erwähnten Olympiabuchs outet sich Robert Lembke als entschiedener Kritiker der Spiele, was bemerkenswert ist, wollte er doch die Bilder überall auf dem Globus vertreiben. Er konnte offensichtlich zwischen verschiedenen Rollen changieren, und in einer schlüpfte er regelmäßig in den Anzug des Aphoristikers: „Im alten Griechenland beendete man Kriege, um die Spiele begehen zu können – wir lassen von Zeit zu Zeit die Spiele ausfallen, um unsere Kriege führen zu können.“
Aphorismen gegen den Olympiawahn
Es geht noch weiter: „Die Spiele sind ins Riesige gewachsen. Sie verlangen Stille und verursachen Lärm. Aus der Begegnung ist ein Treffen geworden, aus dem Kult die Show.“ Damit nicht genug, schreibt Lembke: „Die Massen, die man braucht und lockt, müssen gehindert werden, die Spiele zu bedrohen. Das Olympische Dorf wird zum umzäunten und bewachten Gladiatorenkäfig, zwischen Zirkusvolk und Bewunderern liegt das Kassenhäuschen.“
Robert Lembke
Schlimmer noch sei die Kommerzialisierung und Politisierung der Spiele, vermerkt Lembke. „Seit vielen Jahren werden sie teils von Gastgebern, teils von Gästen, teils von beiden missbraucht“, schreibt jener Mann, der 1933 seine journalistische Karriere lieber beendete, als eine „Loyalitätserklärung“ im Sinne der Nazis zu unterzeichnen. „Der Glaube, dass man verlorene Kriege oder geglückte Überfälle, verlorene Menschlichkeit oder geglückte Diebereien durch Erfolge im Hochsprung oder Radfahren ausgleichen kann, ist offensichtlich weit verbreitet und vielleicht nicht einmal völlig abwegig, wenn der Maßstab nur mehr die öffentliche Meinung ist.“
Robert Lembkes Kritik wirkt wunderbar zeitlos: Der Sport sei dem Ghetto der gesellschaftlichen Missachtung entkommen, nur um in einem goldenen Käfig zu landen – und der sei ein „zwar scheußliches, aber ausbruchsicheres Bauwerk“. Die nächsten Spiele finden in China statt. Welches von den Schweinderln hätten Sie gern?
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