Olympia 2022 – Dabei sein verboten (4): Der mutige Anwalt Xu Zhiyong
Der 48-jährige Anwalt Xu Zhiyong ist seit mehr als 20 Jahren Ziel von Chinas Repression. Derzeit wartet er mal wieder auf seinen Prozess.
In China landen Rechtsanwälte, die politisch heikle Fälle übernehmen, meist irgendwann selbst im Gefängnis. Erst recht, wenn sie sich wie Xu Zhiyong mit anderen Anwälten vernetzen und das Regime immer wieder darauf hinweisen, dass es seine eigenen Gesetze bricht, um sich Kritiker vom Hals zu halten. Unter denen ist der inzwischen 48-jährige Xu einer der mutigsten. Er ist seit mehr als zwanzig Jahren immer wieder Opfer massiver Repression.
2009 ist der aus Henan stammende Jurist, der in Lanzhou studiert und in Peking promoviert hatte, das erste Mal verschleppt worden aufgrund des Vorwurfs angeblicher Steuerhinterziehung. Nach knapp einem Monat wurde er freigelassen unter der Auflage, nicht mehr an der Pekinger Universität für Post und Telekommunikation zu unterrichten.
Auch wurde die von Xu mitgegründete Bürgerrechtsorganisation Gongmeng, die Politiker zu mehr Transparenz aufforderte, um die Korruption glaubhaft zu bekämpfen, für aufgelöst erklärt. 2014 wurde der Jurist dann erstmals offiziell verhaftet und ist zu vier Jahren Gefängnis verurteilt worden. Sein offizielles Vergehen: „Menschenmengen organisiert zu haben, um die öffentliche Ordnung zu stören.“
Im Dezember 2019 nahm Xu, der auch immer wieder politische Kommentare verfasste, an einem Treffen progressiver Anwälte und Richter in der Küstenstadt Xiamen teil. Was sie genau dort diskutierten, ist nicht bekannt, in einem Bericht heißt es, es sei auch über Möglichkeiten eines chinesischen Übergangs zur Demokratie diskutiert worden.
Vorwurf der „Subversion“
Zehn der an dem Treffen beteiligten Juristen sollen bereits im Gefängnis sitzen. Xu tauchte zunächst unter, wurde aber am 15. Februar 2020 festgenommen.
Erst im September 2021 wurde er angeklagt – wegen „Subversion“. Prozess und Urteil gab es bisher noch nicht. Beobachter hatten laut dem britischen Guardian mit dem zu erwartenden harschen Urteil zwischen Weihnachten und Neujahr gerechnet. In dieser Zeit ruht in westlichen Staaten, die solche Prozesse in der Regel kritisieren, der Politikbetrieb.
Autoritäre Staaten wie China nutzen das, um mit möglichst wenig internationaler Aufmerksamkeit Kritiker für Jahre im Gefängnis verschwinden zu lassen. Da in China eine Anklage in 99 Prozent der Fälle zu einer entsprechenden Verurteilung führt, gilt diese als sicher. Doch womöglich war die erhöhte Aufmerksamkeit im Vorfeld der jetzigen Olympischen Winterspiele der Grund dafür, dass der Prozess weiter verschoben wurde.
Bei dem mutigen Xu kommt erschwerend hinzu, dass er aus Sicht des Regimes ein Wiederholungstäter ist, der Behörden und Justiz immer wieder ihre Vergehen vorhielt. Auch hat er immer wieder versucht, Menschenrechtsverteidiger zu vernetzen. Deshalb dürfte Peking sehr an einem abschreckenden Urteil interessiert sein.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!