Olympia 2022 – Dabei sein verboten (13): Der Verschmähte

Vom uigurische Wirtschaftsprofessor Ilham Tohti gibt es seit 2017 kein Lebenszeichen. Sein Kampf für Versöhnung wird in China nicht geschätzt.

Portraitfoto von Ilham Tohti

Ilham Tohti erhielt für sein friedliches Engagement den Sacharow-Preis Foto: Andy Wong/picture alliance

Der chinesische Schriftsteller Wang Lixion soll den im September 2014 zu lebenslanger Haft verurteilten Wirtschaftsprofessor Ilham Tohti einen „uigurischen Nelson Mandela“ genannt haben. Dass der inzwischen 52-jährige Uigure wie kaum ein anderer in der Region ähnlich wie Südafrikas Antiapartheidkämpfer für Versöhnung steht, sah auch das Europaparlament so. Das sprach ihm im Oktober 2019 den Sacharow-Preis zu, Europas höchste Auszeichnung für Menschenrechtsverteidiger.

„Seit mehr als zwei Jahrzehnten setzt er sich unermüdlich dafür ein, den Dialog und die Verständigung zwischen Uiguren und den Völkern Chinas zu fördern“, erklärte das EU-Parlament, das 1988 schon Mandela ausgezeichnet hatte. Wie dieser zeige auch Ilham Tohti nie Verbitterung: „Trotz allem, was ihm widerfahren ist, spricht er sich nach wie vor für Mäßigung und Versöhnung aus“, erklärte das Parlament. Allerdings will Chinas Regime von dieser moderaten und integrativen Stimme nichts hören.

Ilham Tohti beschäftigte sich wissenschaftlich mit dem Zusammenleben der Kulturen in Xinjiang. Dabei verwies er darauf, dass Pekings repressive und wirtschaftlich diskriminierende Politik gegenüber den Uiguren erst dazu führe, dass genau die Gewalt radikaler Islamisten wachsen könne, die Peking vorgebe zu bekämpfen. Tohti sprach sich in Beiträgen auf seiner mehrfach zensierten Webseite nie für eine Abspaltung Ostturkestans aus, wie manche Uiguren ihren Traum eines unabhängiges Landes nennen. Dieser war in Teilen Xinjiangs in den Jahren zwischen 1944 und 1949 kurz wahr geworden.

Vielmehr trat der Ökonom der Minderheitenuniversität in Peking dafür ein, die den Uiguren offiziell eingeräumte Autonomie auch umzusetzen. Damit wurde er für das Regime, das nach den Olympischen Spielen 2008 und den Unruhen in Urumqi 2009 immer stärker gegen alles Uigurische vorging, zum Feind. Mehrfach wurde er festgenommen.

Ilham Tohti war der einzige Uigure, der es noch wagte, offen mit ausländischen Medien zu sprechen. Natürlich bekam er mit, dass für ihn in China die Luft immer dünner wurde. Als er mit seiner Tochter Jewher Ilham im Februar 2013 zu einer einmonatigen Gastprofessur in die USA fliegen wollte, wurde er am Flughafen festgenommen. Die im US-Exil lebende Jewher Ilham, die stellvertretend den Sacharow-Preis angenommen hatte, sagte 2019 der taz, dass die Familie seit 2017 kein Lebenszeichen mehr von ihm habe. Dies sei unverändert, schrieb sie jetzt. Dass eine Uigurin das olympische Feuer in Peking entzündet habe, nannte sie „Chinas Versuch zu beweisen, dass es keinen Genozid an den Uiguren gibt“.

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