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Oligarch und Ex-Minister in TschechienMit einem Bein im Knast

Gegen den ehemaligen Vizepremier und Finanzminister Andrej Babis könnte bald ermittelt werden. Er soll die EU um Subventionen betrogen haben.

Proteste gegen den damaligen Finanzminister Andrej Babis und gegen Präsident Milos Zeman am 17, Mai 2017 in Prag Foto: reuters

Prag taz | Noch vor zwei Wochen steppte im „Storchennest“ der Bär: Auf seiner Luxus-Farm nahe Prag, komplett mit Zoo, Hotel und Tagungszentrum, ehelichte der tschechische Mega-Mogul, Ex-Vizepremier und frühere Finanzminister, Andrej Babiš Ende Juli nach über 20 Jahre wilder Ehe und zwei Kindern seine blonde Monika.

Das rauschende Fest, so offenbarten die 180 Fotos, die Babiš noch am selben Tag auf seinem Facebook-Profil veröffentlichte, war umgeben von einem Hauch Ostalgie. Vom Kleid der Braut bis zur Musikauswahl und dem Podium, auf dem Brautleute samt Familie über ihren rund 200 geladenen Gästen thronten: Mit ihrem Stil wären die Babišs auch in Wandlitz nicht aus der Reihe getanzt.

Schon mit der Wahl des „Storchennests“ signalisierte der 62-jährige Oligarch wie überzeugt er ist, über Recht und Gesetz zu stehen. Wegen des Storchennests ermittelt seit über einem Jahr das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung gegen Andrej Babiš.

Ihm wird vorgeworfen 2007 und 2008 sein eigenes Nest beschmutzt zu haben: Für den Bau des Storchennests sollen Milliardär Babiš und seine Holding Agrofert die EU um Subventionen in Höhe von knapp zwei Millionen Euro betrogen haben.

Gewinnsumme verzehnfacht

Der Topf, aus dem diese Gelder stammen, ist ausschließlich bestimmt zur Förderung kleiner und mittelständischer Unternehmen. 2007 verbuchte Babišs Holding Agrofert einen Gewinn von 860 Millionen Kronen. Auch wenn sich diese Gewinnsumme mittlerweile verzehnfacht hat, war Agrofert auch damals schon ein paar Nullen vom Mittelstand entfernt.

Die Hochzeit im Storchennest, ein Mittelfinger Richtung Brüssel. Doch statt sich mit seiner Monika auf die Hochzeitsreise zu freuen, muss sich Andrej Babiš jetzt mit einer Tatsache abfinden: Auch die protzigste Nomenklatura-Hochzeit bringt die Hochzeit der realsozialistischen Apparatschiks nicht mehr zurück.

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Am Mittwoch forderte die tschechische Polizei den Präsidenten des tschechischen Abgeordnetenhauses auf, die Immunität von Andrej Babiš und seinem politischen Wasserträger Jaroslav Faltýnek aufzuheben. Warum genau die Polizei Strafermittlungen gegen das Duo aufnimmt, behält sie zwar noch für sich. Laut gemunkelt wird aber, dass es um das „Storchennest“ und Betrug geht.

Babišs Gegner frohlocken. Sie hoffen auf das politische Ende des Oligarchen. Für sie ist es fünf vor zwölf. Denn laut Umfragen hat Babiš beste Chancen, bei den Wahlen im Oktober mit seiner Bewegung ANO ins Regierungsamt einzuziehen.

Politisches Opfer

Andere wieder befürchten, dass der enorme und professionelle Marketingapparat des Milliardärs diesen zum politischen Opfer stilisieren wird. Denn die Polizei untersteht dem Innenministerium und dieses wiederum dem Sozialdemokraten Milan Chovanec, einem politischen Rivalen Babišs.

Bei der Finanzierung des „Storchennests“ sei alles korrekt abgelaufen, wiederholt Babiš stoisch. Die Polizei spiele das Spiel der alten Strukturen, die eine Machtübernahme Babišs (Motto: „Alles lässt sich kaufen“) verhindern wollen.

Das Strafverfahren gegen den Ex-Finanzminister ist also eine Medaillie mit zwei Seiten: es kann einerseits als Warnung an den Wähler verstanden werden, nicht einem Stimmenfänger aufzusitzen, der unter Betrugsverdacht steht. Andererseits gibt es Babiš auch einigen Spielraum im Wahlkampf.

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