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Oligarch Iwanischwili in GeorgienStramm in Richtung Moskau

Im Westen galt der georgische Politiker Bidzina Iwanischwili einst als Hoffnungsträger. Nun scheint er Russland als Vorbild zu sehen.

Mit Russland bestens vertraut: der georgische Oligarch Bidzina Iwanischwili (links im Bild) Foto: REUTERS/Irakli Gedenidze

Berlin taz | Sollte Georgien – seit vergangenem Dezember Beitrittskandidat der EU – seine europäische Zukunft doch noch verspielen, hat ein Mann einen gewichtigen Anteil daran: Bidzina Iwanischwili. Der Unternehmer, Politiker und Oligarch nimmt auf der diesjährigen Forbes-Liste der reichsten Männer der Welt den 600. Platz ein.

Der 68-jährige verheiratete Vater von vier Kindern ist derzeit Ehrenvorsitzender der Partei „Georgischer Traum“, die bereits seit 2012 in der Republik im Südkaukasus an der Macht ist. Doch diese Bezeichnung klingt harmloser, als sie ist: In Wahrheit ist er es, der in der Politik den Ton angibt.

Am Montagabend hatte Iwanischwili einen seiner seltenen öffentlichen Auftritte im Zentrum von Tbilissi. Dazu hatte er extra seinen Luxuspalast, auf einem Hügel oberhalb der georgischen Hauptstadt gelegen, verlassen. Er sprach vor Tausenden Anhänger*innen, die mit Bussen nach Tbilissi gebracht worden waren. Die organisierte Jubelveranstaltung – ähnliche Aktionen sind aus Ländern wie Russland und Belarus bestens bekannt – war eine Antwort auf die Massenproteste gegen ein „Auslandsagenten“-Gesetz nach russischem Vorbild. Dieses ist gerade Gegenstand von heftigen Debatten im Parlament.

Mit russischen Eigenheiten ist Iwanischwili bestens vertraut. In den 80er Jahren ging er zum Studium nach Moskau, wo er 1986 seine Dissertation in Fach Wirtschaftswissenschaften verteidigte. Hier soll er nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1991 auch den Grundstock für sein gigantisches Vermögen gelegt haben.

Die USA nannte er als wichtigsten Partner

Erst in den nuller Jahren kehrte Iwanischwili nach Georgien zurück. Im Herbst 2011 kündigte er an, eine Partei zu gründen. Ein Jahr später gewannen Iwanischwili und sein „Georgischer Traum“ auf Anhieb die Parlamentswahlen, Iwanischwili wurde Premierminister. Die neue Regierung begab sich, so schien es jedenfalls, auf Westkurs. Eine Integration in EU und Nato bezeichnete Iwanischwili als Ziel georgischer Politik. Die USA nannte er den wichtigsten Partner und Freund Georgiens.

Im November 2013 gab er den Posten des Regierungschefs auf, um sich aus der Politik zurückzuziehen, wie es hieß. Doch er mischte politisch weiter mit, hatte aber auch noch Zeit für andere Dinge. Dazu gehörte unter anderem die aufwendige Umsetzung von rund 200 jahrhundertealten Bäumen, die der Milliardär aus Wäldern am Schwarzen Meer in seinen Privatpark bringen und dort aufstellen ließ.

Viel schwerer als derartige Kapriolen wiegt jedoch der Umstand dass der Georgische Traum stramm in Richtung Russland unterwegs ist. Iwanischwilis Rede am Montag ließ daran keinen Zweifel. Er werde für das „Agenten-Gesetz“ genauso kämpfen wie für eine neue geplante Regelung zum Verbot von „LGBTQ+-Propaganda“. Den Westen beschimpfte er als „globale Kriegspartei“ und drohte Kri­ti­ke­r*in­nen – entwurzelten Personen, die für ausländische Interessen einträten – mit Vergeltung. Mit ungewohnter Offenheit nannte er den Grund für das Vorgehen gegen die georgische Zivilgesellschaft: Sie sei ein Instrument und in der Lage, dem Georgischen Traum die Macht zu entreißen. Im kommenden Oktober finden in Georgien Parlamentswahlen statt.

Auf die Reaktionen ob dieser Äußerungen darf man gespannt sein. Nicht nur der Geor­gier*innen, die ihr Land in Europa sehen, sondern­ auch aus Brüssel. Dort dürfte die nächste Krisensitzung zu Georgien wohl nur eine Frage der Zeit sein.

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6 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • Es scheint, daß Iwanischwili dem Geld Putins erlegen ist, natürlich wird nichts nachweisbar sein, aber aus welchem Grund handelt er sonst so?



    Es wird hoffentlich eines Tages aufgeklärt, sein Umfeld müßte fürs Schweigen ja auch bezahlt werden.

  • Die russischen Panzer stehen eine halbe Stunde von Tiflis entfernt. Putin hat sich hier in eine strategisch günstige Position gebracht. Jede georgische Regierung muss auf dem Drahtseil balancieren. Europa ist nicht in der Lage Georgien im Ernstfall zu helfen.

  • Georgien kann doch nur versuchen, an möglichst langer Leine in Frieden mit Russland zu leben, wenn es halbwegs in Frieden leben möchte. Wenn Russland angreift, um auch den Rest des Landes zu übernehmen, wird mit Sicherheit niemand zu Hilfe eilen, der Beitritt zu EU und NATO wird nicht kommen, weil Russlandes nicht zulässt. Also besser still halten, dem Bären gefallen und dafür beten, dass man dann grosso modo in Ruhe gelassen wird.

    • @Ralph Bohr:

      Das ist sehr verkürzt und naiv gedacht. Es deckt sich nicht mit der Realität und den Wüsnchen der Menschen vor Ort.



      Was Sie da sagen heißt:



      Georgien wird von Russland übernommen - ob von außen oder von innen, egal. Das ist überkommenes Appeasement und nur Ausdruck bequmen Sofadenkens aus einem Land, das die heraufziehende Gefahr von Unterdrückung nicht kennt.

      Georgien wird nur überleben, wenn es den Preis einer Übernahme in die Höhe treibt. Das geht derzeit nur über den Widerstand in der Bevölkerung. Die Ukraine ist hier ein gutes Beispiel.

      Die Gefahr, dass der Westen, die EU zu spät aufwachen, ist dabei gebannt. Man hat in Brüssel gelernt, welchen Fehler man mit dem verzögerten Assoziierungsabkommen gemacht hat.

    • @Ralph Bohr:

      Sehr fatalistisch. Nein Russlands Nachbarn müssen sich nicht zitternd Russland unterwerfen und es ist in unserem Interesse den Südkaukasus in die EU zu führen und Russlands Einfluss zurückzudrängen.

      Im Südkaukasus ist sowieso Russlands Zeit rum, in Azerbaijan haben sie nichts zu sagen, aus Karabagh sind sie abgezogen und die Armenier wollen mit Russland auch nicht mehr viel zu tun haben. Die Türkei ist da die neue Macht, in Konkurrenz mit dem Iran.

      Ein Einmarsch Russlands wäre auch idiotisch zum einen würde er jeden anderen Nachbarn Russlands final vergraulen, und der Westen würde die Ukraine noch mehr unterstützen. Mal abgesehen davon das die russische Armee mit T-62 und T-54 Panzern angreifen müsste gegen eine georgische Armee die ihr schon beim letzten Mal taktisch überlegen war, und Russland hätte keine Reserven sollte der Angriff scheitern.

      • @Machiavelli:

        Ich sehe das weniger positiv als Sie. Ein Einmarsch Russlands halte ich für ein wahrscheinliches Szenario im Fall innenpolitischer Probleme. Außerdem ist die strategische Lage Georgiens nicht zu verachten, wenn man die Türkei in Schach halten will. Mit Dagestan kann man damit Aserbaidschan komplett abriegeln.