Ole von Beust über die Lage seiner Partei: „Dem Trend nach rechts widerstehen“
Ole von Beust legt Wert auf die Unterscheidung zwischen Law-and-Order-Politik und Rechtspopulismus. Die AfD könne für die CDU kein Partner sein.
taz: Herr von Beust, was ist für Sie eine moderne konservative Partei?
Ole von Beust: Eine moderne Partei nimmt die Gesellschaft so, wie sie ist, und versucht, existierende Probleme, ob sie einem gefallen oder nicht, zu lösen. Eine konservative Partei steht zuerst zu ihren Prinzipien wie Haushaltssolidität, Ordnung und Sicherheit. Modern und konservativ ist, wer auf diesen Grundsätzen fußt und dennoch gesellschaftliche Fragen nicht in sein Weltbild zu pressen versucht.
Der neue CDU-Hoffnungsträger in Schleswig-Holstein, Daniel Günther, will seinen Landesverband reformieren: konservativ in der Sicherheitspolitik, modern in der Gesellschaftspolitik. Kann dieser Spagat ohne Zerrung gelingen?
Das ist ein vernünftiger Ansatz. Auch fortschrittliche Menschen legen viel Wert auf innere Sicherheit. Das ist also kein Widerspruch zu gesellschaftlicher Moderne. Ich sehe da keinen Spagat.
61, CDU, war von 2001 bis 2008 Erster Bürgermeister in Hamburg und ist seitdem wieder als Rechtsanwalt tätig.
Seit die Ministerpräsidenten Ole von Beust 2010, Peter Harry Carstensen 2012 und David McAllister 2013 aus ihren Ämtern schieden, fehlen den Christdemokraten im Norden charismatische Führungsfiguren. Wo ist der Retter?
Mit Verlaub, die fehlen nicht nur bei uns. Die anderen haben nur gerade das Glück, an der Regierung zu sein. Bei allem Respekt: Die aktuellen SPD-Regierungschefs in Norddeutschland sind samt und sonders keine großen Charismatiker, sondern mehr oder minder ordentliche Verwalter.
Das wird Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz nicht ungern hören.
Über meinen Nachfolger sage ich direkt nichts, das gehört sich nicht. Wir haben zurzeit allgemein eher einen Politikertypus, der exekutiv orientiert ist, die mitreißenden Typen sind gerade nicht die dominierenden. Aber das ist wohl auch der Trend der Zeit.
Von wegen exekutiv: Wie will die CDU in Norddeutschland denn wieder regierungsfähig werden?
In Schleswig-Holstein, wo im Mai die nächste Landtagswahl ansteht, sehe ich durchaus Chancen. Die Regierung in Kiel ist schwach, Ministerpräsident Torsten Albig ist noch schwächer, und die Grünen schwächen sich durch die bundespolitischen Ambitionen von Robert Habeck selbst. Da gilt es, die Gunst der Stunde zu nutzen. Und ein bisschen Glück gehört immer dazu: Ob eine Wechselstimmung zum rechten Zeitpunkt da ist, ist ungeheuer schwer zu beeinflussen. Aber man muss bereit sein.
Und reichlich Wahlversprechen machen?
Wichtig ist immer für die CDU, den Menschen zu vermitteln, mit uns geht es euch zumindest nicht schlechter als jetzt. Die CDU muss immer glaubwürdig für Wohlstand für alle und für wirtschaftliches Wachstum stehen. Und sie muss, das wäre der einzige Rat, den ich geben würde, Leute präsentieren, die diese wirtschaftliche Kompetenz und Erfahrung ausstrahlen. Das ist meiner Ansicht nach wahlentscheidend.
Darf die CDU sich überhaupt noch zu Recht eine Volkspartei nennen?
Sie repräsentiert alle gesellschaftlichen Strömungen und Schichten. Also ist sie eine Volkspartei, auch wenn die Wahlergebnisse zurzeit besser sein könnten.
Aber droht der CDU nicht ein fortschreitender Bedeutungsverlust zwischen Grünen wie Kretschmann, Konservativen wie Seehofer und Reaktionären wie Petry und Höcke?
Wir verzeichnen in dieser eigenartigen Zeit eine gewisse Tendenz nach rechts. Und die Aufgabe der CDU besteht darin, diesem Trend zu widerstehen. Sie muss eine Partei der Mitte sein, die mit Rechten und Rechtsextremen nichts, aber auch gar nichts zu tun hat. Sie muss ihren Kurs aus Grundliberalität, christlichen Werten und Europafreundlichkeit bewahren und darf sich nicht beeinflussen lassen von rechtem Geschwätz. Das ist der Platz der CDU. Wenn sie sich rechts anbiedert, stärkt sie nur das rechte Original.
Daniel Günther sagt dazu: „Wer was gegen Homosexuelle hat, dem können wir keine Heimat bieten. Wer konsequentes Vorgehen gegen Bandenkriminalität will, dem dagegen schon.“
Schönes Zitat. Das gefällt mir.
Sie haben als erster – und noch immer einziger – Ministerpräsident in Deutschland mit Rechtspopulisten regiert: 2001 bis 2003 mit dem gnadenlosen Richter Ronald Schill. Was haben Sie daraus gelernt für den aktuellen Umgang mit der AfD?
Zunächst mal: Schill war kein Nazi. Er war ein Narziss und Rechtspopulist. Mit AfDlern wie Björn Höcke kann man ihn nicht vergleichen. Deshalb passt die Parallele nicht so ganz.
Die AfD ist doch auch rechtspopulistisch, nicht unbedingt rechtsextrem.
Mit der AfD eines Björn Höcke kann man nicht koalieren. Das ist der Unterschied zu Schill. Der stand für Law and Order, aber er war weder kleinkariert noch spießig noch rechtsradikal. Die AfD kann für die CDU kein Partner sein.
Den ganzen Schwerpunkt zur Lage der CDU im Norden lesen Sie in der taz.am Wochenende oder hier
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Alkoholpreise in Deutschland
Das Geschäft mit dem Tod
Soziologe über Stadt-Land-Gegensatz
„Die ländlichen Räume sind nicht abgehängt“
Jüdische Wähler in den USA
Zwischen Pech und Kamala
Die US-Wahl auf taz.de
Trump erklärt sich zum Wahlsieger
Geopolitik der US-Wahlen
Am Ende der alten Welt
US-Präsidentschaftswahlen
Warum wählen sie Trump?