Offener Brief an G+J-Chefin Jäkel: „Marschiere in die Altersarmut“
Gabriele Riedle steht bei der „Geo“ vor der Kündigung. Deswegen hat sie einen Offenen Brief an die Gruner+Jahr-Vorsitzende Julia Jäkel geschrieben.
Viele haben Gabriele Riedle gewarnt, sie solle sich nicht so weit aus dem Fenster lehnen. Am Mittwoch hat die 56-Jährige den Offenen Brief dennoch an ihre Chefin, die Gruner+Jahr-Vorstandsvorsitzende Julia Jäkel, in den Postkasten geworfen. „Ich bin halt eine Aus-dem-Fenster-Lehnerin“, sagt Riedle.
In dem Brief beschreibt sie ihre Not, die ihr nun – nachdem ihr die kommende Kündigung offenbart wurde – droht: „Ich marschiere geradewegs in die Altersarmut.“ Bis Anfang der 90er-Jahre arbeitete Riedle bei der taz, anschließend war sie freie Journalistin, seit 14 Jahren ist sie bei Geo. Immer in Teilzeit.
Rentenansprüche? „Da kommt nicht viel zusammen“, steht im Brief: „Dass ich in existentielle Not geraten würde, wenn ich meinen Arbeitsplatz verlöre, das war mir immer klar. Aber niemals hätte ich mir vorstellen können, dass ich ... einmal derartig von Selbstzweifeln und sogar von Scham überfallen werden würde – denn warum trifft es gerade mich?“
Riedle will mit ihrem Brief deutlich machen, wie sich Entscheidungen auf Einzelne – in diesem Fall auf sie selbst – auswirkten. „Das ist gute journalistische Tradition.“
Keine ewige Dankbarkeit erwartet
Bei Gruner+Jahr läuft derzeit ein großes Entlassungsprogramm: 400 von 2.400 Stellen sollen gestrichen werden. Bei der Brigitte werden beispielsweise elf Redakteurinnen entlassen, bei den verschiedenen Geo-Titeln sollen 14 MitarbeiterInnen gehen. Geo soll zur „Netzwerkredaktion“ werden: SpezialistInnen sollen sich um Bereiche und Regionen kümmern, Inhalte zu großen Teilen eingekauft werden. Für Riedle ist da wohl kein Platz mehr. „Begründung: Ich sei … zu wenig spezialisiert und zu sehr Generalistin“, heißt es im Brief.
Riedle ist tatsächlich Generalistin. Sie war laut eigener Aussage für Geo in Afghanistan, Jemen, Liberia, Haiti, Darfur, Tschetschenien. „Ich hab ziemlich oft meinen Hintern riskiert für die Arbeit“, sagt sie. Dafür sei natürlich keine ewige Dankbarkeit zu erwarten, „eine Kündigung aber ganz bestimmt auch nicht“.
Die Redaktion des Stern, wo ebenfalls 26 MitarbeiterInnen gehen müssen, hat vor einigen Wochen ebenfalls einen Offenen Brief an Jäkel verfasst: „Was wir jetzt erleben, ist ein brutaler Einschnitt, der die Redaktion nachhaltig beschädigt – und der zutiefst ungerecht ist.“ Auch die Journalistin und ehemalige Leiterin der Henri-Nannen-Schule, Ingrid Kolb, kritisierte Jäkel mit deutlichen Worten. In einem „persönlichen Brief“ schrieb sie, dass Jäkel „den kreativsten Mitarbeitern in Ihrem Verlag, nämlich den Journalisten, den Boden unter den Füßen weggezogen“ habe.
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