Österreichs dubiose Klinikfinanzierung: Korruptionsprozess gegen Strache
Der rechte Ex-Vizekanzler wird verdächtigt, gegen eine Parteispende eine Privatklinik zum Nutznießer eines staatlichen Fonds gemacht zu haben.
Dass Straches nächster Termin jetzt auch so glimpflich verläuft, ist keineswegs sicher. Seit Dienstag steht er in Wien vor dem Straflandesgericht. Es geht um mutmaßliche Bestechlichkeit in Zusammenhang mit dem berüchtigten Ibiza-Video, das im Mai 2019 die rechte Regierung zu Fall brachte und Straches politische Karriere beendete.
Auf dem im Sommer 2017 heimlich aufgenommenen Video verspricht Strache einer vermeintlichen Oligarchin Vorteile gegen Parteispenden, wenn sie ihn damit in die Regierung bringt. Strafbar ist das vermutlich nicht, da Strache damals noch kein Amtsträger war.
Doch anders ist dies im Falle des sogenannten Prikraf, der jetzt verhandelt wird. Der Privatkrankenanstalten-Finanzierungsfonds (Prikraf) wird aus den Beiträgen der gesetzlichen Krankenversicherung gespeist und erlaubt es Privatkliniken, bestimmte Leistungen mit den Krankenkassen abzurechnen. Doch trifft das nicht auf alle privaten Krankenanstalten zu, sondern nur auf eine exklusive Auswahl. Deren Zustandekommen ist höchst undurchsichtig.
Staatsanwaltschaft stützt sich auf Chatverlauf
Der Fall Strache macht das deutlich. Schon vor den Wahlen 2017, die Strache zum Vizekanzler einer türkis-blauen Regierung unter Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) machen sollten, war sein Freund Walter Grubmüller, Betreiber der Privatklinik Währing, an den FPÖ-Chef herangetreten. Das belegt ein der Wirtschafts- und Korruptionsanwaltschaft (WKStA) vorliegender Chatverlauf.
Grubmüller machte während der Koalitionsverhandlungen deutlich, wie sehr ihm daran gelegen war, dass die FPÖ das Gesundheitsministerium übernehme. Denn er wollte mit seiner Wiener Klinik in die Liste des Prikraf aufgenommen werden.
„Wir kämpfen“, antwortete Strache und wollte wissen, welches Gesetz seinem Freund „wichtig“ wäre, „damit die Schönheitsklinik endlich fair behandelt wird?“. Das Gewünschte kam postwendend per SMS.
Dass Grubmüller etwa zeitgleich eine Spende von 10.000 Euro an die FPÖ überwies, sieht die WKStA als klares Indiz für ein strafrechtlich relevantes quid pro quo, auf gut Deutsch: Gesetzeskauf.
Dass Strache im Mai 2018 von Grubmüller in dessen Haus auf Korfu einladen und im Privatjet eingeflogen wurde, wie die Chats suggerieren, bestreiten beide. Eine solche Einladung sei schon 2016 erfolgt.
Prozess könnte auch für ÖVP unangenehm werden
Das Lobbying des Klinikbetreibers machte sich jedenfalls bezahlt. Denn 2018 sorgte die türkis-blaue Gesundheitsreform für die Aufnahme von Grubmüllers Klinik als Nummer 45 in den Prikraf. Sie ist auf Nasenkorrekturen, Facelifting und Botoxverabreichung spezialisiert.
Sowohl Strache als auch Grubmüller bestreiten jeden Zusammenhang mit der Parteispende. Die Beklagten versprechen sich Schützenhilfe von ihren Zeuginnen wie Ex-Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein und FPÖ-Gesundheitssprecherin Dagmar Belakowitsch.
Unangenehm könnte der Prozess auch für die ÖVP werden, deren Ex-Finanzminister Hartwig Löger CEO der PremiQaMed war, die mehrere im Prikraf berücksichtigte Privatkliniken betreibt. Diese Tochter des ÖVP-nahen Versicherungsunternehmens Uniqa hatte 2017 und 2018 jeweils 25.000 Euro an die Kurz-Partei gespendet.
Auch in dieser Causa ermittelt die WKStA. Die Verhandlung gegen Strache ist auf vier Tage anberaumt. Schon am Freitag könnte das Urteil fallen. Im Falle eines Schuldspruchs drohen dem ehemaligen Vizekanzler sechs Monate bis fünf Jahre Haft.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl 2025
Parteien sichern sich fairen Wahlkampf zu
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund