Jetzt darf Österreichs
Justiz ran

Das Parlament hat die Aufhebung der Immunität von Ex-Kanzler Kurz auf den Weg gebracht

Aus Wien Ralf Leonhard

Österreichs ehemaliger Bundeskanzler Sebastian Kurz wird an die Justiz ausgeliefert. Am Dienstag hat der Immunitätsausschuss des Nationalrats einstimmig beschlossen, die parlamentarische Immunität des Abgeordneten und ÖVP-Fraktionschefs aufzuheben. Die Bestätigung durch das Plenum des Nationalrats am Donnerstag ist Formsache.

Gegen den Ex-Bundeskanzler darf dann die Justiz ermitteln und ihn gegebenenfalls vor Gericht stellen. Kurz trat Anfang Oktober als Regierungschef zurück, nachdem die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) unter anderem das Kanzleramt durchsucht hatte. Danach wechselte er als Fraktionschef der ÖVP ins Parlament. Abgeordnete genießen Immunität für Handlungen, die sie im Rahmen ihres Mandates gesetzt haben. Deshalb mussten die Ermittlungen ruhen.

Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft wirft dem 35-Jährigen Korruption und Untreue vor. Er soll in die Bezahlung manipulierter Umfragen mit Steuergeld in 2017 involviert gewesen sein. Es besteht der dringende Verdacht, dass seine Clique in der ÖVP damit den parteiinternen Putsch gegen den damaligen Parteichef und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner generalstabsmäßig vorbereitet hat.

Vor wenigen Tagen hat Kurz ein Privatgutachten eines Strafrechtsdozenten präsentiert, das in den Boulevardmedien als Persilschein für den Exkanzler gefeiert wurde.Der Jurist Peter Lewisch sieht darin das, was die WKStA als strafwürdiges Delikt untersucht, als „sozialadäquates Verhalten außerhalb des Rahmens von Korruption“. Prominente Strafrechtler zerpflücken das Papier inhaltlich. Fachleute bezeichnen das Lancieren gewogener Privatgutachten als „Litigation-PR“, als Versuch, ein Strafverfahren über die Medien zu beeinflussen.