Österreich und die Burka: Mummenschanz und Haifischmann
Seit dem 1. Oktober ist das Verhüllen in der Öffentlichkeit in Österreich verboten. Ein Geschäftsmann will die Strafen für die Frauen zahlen.
Es handelt sich um keinen Sado-Maso-Auftritt. Nekkaz hat sich angeboten, für alle Frauen, die in Österreich verschleiert gegen das Gesetz verstoßen, die Strafe zu übernehmen. Seit dem 1. Oktober gilt in Österreich ein Gesetz, das Verhüllung im öffentlichen Raum verbietet. Von der Burka bis zur Clownsmaske und dem Atemschutz. Sebastian Kurz hat das durchgesetzt, um dem Islamismus entgegenzutreten.
Nekkaz hat mit der rechten Hand ein Handy auf sich gerichtet, um die Ereignisse live zu streamen. Er beginnt auf Französisch, sein Anliegen vorzutragen. Um die individuelle Freiheit gehe es ihm. Auf Drängen der Journalisten setzt er in holprigem Englisch fort: „I am very happy to be in Vienna to show that there are civil rights“.
300.000 Euro habe er in anderen Ländern bereits bezahlt, hat er vorher einer Boulevardzeitung zu Protokoll gegeben: „Zwei, drei vier Millionen sind aber für mich auch kein Problem“. Frauen, die an französischen Stränden mit Burkinis aufgegriffen wurden und Verschleierte in Belgien haben von den Spendierhosen des Philanthropen profitiert. Das Gesetz wolle er respektieren – und zahlen. Für Verschleierte in Banken, Schulen, Einkaufszentren wolle er sich aber nicht einsetzen: „Da bin ich aus Sicherheitsgründen für ein Verbot“. Aber auf der Straße dürfe man „einer Frau die Kleidung ihrer Wahl nicht verbieten“.
Bei Kälte ist ein Schal erlaubt. Aber wann beginnt Kälte?
Österreichs Polizei zeigt sich von dem neuen Gesetz überfordert. Journalistinnen von Tageszeitungen, die im Niqab die Probe aufs Exempel machen wollten, entkamen ohne Bussgeld, ernteten aber böse Blicke und Beschimpfungen von Passanten. Laut Polizei gibt es bisher eine Handvoll Anzeigen. Aber nicht Burkas und Niqabs sind es, die den Polizisten Probleme bereiten. Drei Musiker, die täglich vor dem Museumsviertel aufspielen, wurden verwarnt. Solange sie spielen, dürfen sie maskiert bleiben – „künstlerische Darbietung“. Sie dürfen sich aber nicht „als Pferde“ von ihrem Platz entfernen.
Schlagzeilen machte ein Student im Haifischkostum, der für einen neuen McShark-Store warb. Nach einer Anzeige von Passanten musste die Polizei einschreiten und erzwang die Abnahme der Maske. Strafe muss er wahrscheinlich nicht zahlen, wenn er nachweisen kann, dass er im Auftrag eines Arbeitgebers aufgetreten ist. Unterschiedlich verfuhren Polizisten mit Radfahrern, die ihre Mundpartie gegen den kalten Wind mit einem Schal verhüllten. Bei Kälte ist das laut Gesetz erlaubt. Aber wann Kälte beginnt, hat der Gesetzgeber zu definieren versäumt.
Manfred Reinthaler von der Polizeidirektion Wien spricht von „gewissen unklaren Situationen, Graubereichen, die noch einer Auslegung bedürfen“. Die Wiener Polizei macht sich jetzt daran, „mögliche Sachverhalte“ anhand bisher aufgetauchter Vorfälle aufzulisten, um sie rechtlich einzuschätzen. Eine Liste von rund zwanzig Beispielen soll den Polizisten im Außendienst als Orientierungshilfe dienen. Maskottchen wie der Polizeibär, aber auch Weihnachtsmänner, sollen jedenfalls toleriert werden.
Rachid Nekkaz wurde zwar nicht von Sebastian Kurz persönlich bestraft, doch die Polizei wurde vorstellig und nahm ihn auf die Wache mit. Wenig später kam er mit einem Strafzettel über fünfzig Euro zurück – unverhüllt. Kommende Woche will er wieder maskiert auftreten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Rücktritte an der FDP-Spitze
Generalsekretär in offener Feldschlacht gefallen
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Iran als Bedrohung Israels
„Iran könnte ein Arsenal an Atomwaffen bauen“
Keith Kelloggs Wege aus dem Krieg
Immer für eine Überraschung gut