Ölpest 1.500 Meter unterm Meer: Wie bitte schließt man ein Bohrloch?
Insgesamt 76 Schiffe sammeln inzwischen das Öl am Golf von Mexiko ein, ein schwieriger Kampf gegen die Elemente. Doch noch viel schwerer ist es, das Bohrloch endlich zu verschließen.
BERLIN taz | Die Ölpest im Golf von Mexiko wird immer schlimmer. Permanent tritt weiteres Öl aus dem Bohrloch in 1.500 Meter Tiefe aus und lässt eine Umweltkatastrophe immer wahrscheinlicher werden. In den USA wird fieberhaft versucht, des unterseeische Leck in den Griff zu bekommen. "Wir kämpfen an allen Fronten gegen die Ölverschmutzung und setzen dabei alle verfügbaren Ressourcen sowie modernste Technologien ein", heißt es von BP-Chef Tony Hayward.
Damit möglichst wenig Öl tatsächlich an die Küste gelangt, soll der Ölteppich auf dem Meer gestoppt werden. Derzeit sind nach Auskunft von BP in der Region 76 Schiffe und Ölbarrieren mit rund 55 Kilometer Gesamtlänge im Einsatz, um das Öl einzufangen. Schiffe mit 74 Kilometer Sperren stehen offenbar noch bereit und weitere 80 Kilometer wurden angefordert. In der Nacht zum Freitag konnten die Barrieren das Öl jedoch nicht ausreichend einhegen, weil das Meer zu hohe Wellen schlug.
Aus Flugzeugen und Schiffen wird unterdessen Bindemittel auf den Ölfilm gestreut. Dadurch wird das Öl in viele kleine Teilchen zerlegt, die später auf den Meeresboden sinken. "Der Einsatz von Chemikalien ist in diesem besonderen Fall okay, weil es eine besonders schwere Ölpest ist", sagt Christian Bussau von der Umweltorganisation Greenpeace der taz. Das Öl klebe dann nicht mehr so stark und Tiere könnten sich nicht so leicht kontaminieren, erklärt der Meeresbiologie.
Mit Hilfe feuerfester Ölsperren werden eingegrenzte Flächen mit dickerem Öl aus dem Film abgetrennt, um sie abzufackeln. Wetter und Wellengang hatten es zumindest am Donnerstag allerdings nicht zugelassen, Öl auf dem Meer zu verbrennen. Die Maßnahme wird ohnehin kritisch gesehen: "Ich halte das für wenig sinnvoll, weil das meiste Öl ohnehin zu dünn ist", sagt etwa Greenpeace-Experte Bussau. Außerdem blieben viele Rückstände im Wasser und es entstehe eine riesige Rauchwolke.
Drei Möglichkeiten, das Loch zu schließen
Parallel zu den Arbeiten an der Wasseroberfläche und in Küstennähe muss vor allem verhindert werden, dass weiterhin 800.000 Liter Öl pro Tag aus den inzwischen drei entdeckten Lecks am Bohrloch austreten. Hierzu werden gleich drei Ansätze verfolgt: Ferngesteuerte Roboter versuchen schon seit Tagen, unter Wasser den sogenannten Blow-Out-Preventer am Bohrloch zu aktivieren. Dieser stählerne Korken soll normalerweise im Notfall das Bohrloch verschließen und somit das Aufsteigen von Öl und Gas verhindern.
Am Festland wird indes an einer Stahlkuppel gearbeitet, die über das Bohrloch gestülpt werden soll. Sie würde das Öl kontrolliert an die Oberfläche führen, wo es von einem Schiff abgesaugt werden könnte. In flacheren Gewässern hat sich die Vorrichtung laut BP bereits bewährt. Nun werde die Kuppel für den Einsatz in Tiefwasser umgebaut. "Wir gehen davon aus, dass sie innerhalb der nächsten vier Wochen fertig gestellt wird", heißt es in einer Pressemitteilung des Konzerns.
Zement ins Bohrloch
Die eigentlich Lösung besteht aber darin, das Bohrloch mit Zement zu verschließen wie einen kaputten Zahn. Das ist allerdings derzeit nicht möglich, weil der Druck mit dem das Öl herausschießt zu hoch ist. Deshalb sind inzwischen zwei Bohrschiffe zum Unglücksort gefahren. Sie gehören zum Unternehmen Transocean, von dem BP die gesunkene Plattform geleast hatte.
Sie Schiffe sollen versuchen, weitere Bohrungen vorzunehmen, damit der Druck am Ölbohrloch sinkt. "Wir sind durch die Regularien durch, so dass an diesem Wochenende mit der Entlastungsbohrung begonnen werden kann", sagte BP-Deutschland-Sprecher Tobias Wolny am Freitag der taz.
Anschließend sollen die Löcher mit Zement wieder verschlossen werden. Das dürfte nach Schätzungen etwa drei Monate dauern. Experten sehen in den Entlastungsbohrungen die einzige Möglichkeit, die Ölpest langfristig in den Griff zu bekommen.
BP bat am Donnerstag auch das US-Verteidigungsministerium um Hilfe bei der Bekämpfung der Ölpest. Unter anderem wurden Unterwasser-Fototechnik und ferngesteuerte Fahrzeuge angefordert. Die Marine rüstet darüber hinaus die Küstenwache mit aufblasbaren Ölbarrieren aus und stellt System bereit, mit denen das Öl offenbar abgeschöpft werden kann.
Ölbarrieren wurden aus dem ganzen Land an die Ostküste geschafft. Auch andere Ölkonzerne wurden von BP kontaktiert, um mit Personal und Technik im Golf von Mexiko auszuhelfen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl 2025
Parteien sichern sich fairen Wahlkampf zu
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Bankkarten für Geflüchtete
Bezahlkarte – rassistisch oder smart?