: Ökostrom soll Gas werden
Netzbetreiber wollen im Nordwesten im großen Stil überschüssigen Windstrom auffangen
Eine 100 Megawatt starke Anlage im Nordwesten Deutschlands soll künftig Ökostrom in Gas umwandeln. Die Netzbetreiber Tennet, Gasunie und Thyssengas wollen damit Transport und Speicherung von erneuerbaren Energien in Gasnetzen vorantreiben. Das sogenannte Power-to-Gas-Pilotprojekt („Strom zu Gas“) soll zur großindustriellen Nutzung ausgelegt werden, teilte eine Tennet-Sprecherin mit. Bei der Technik wird Ökostrom genutzt, um Wasserstoff oder Methangas zu erzeugen; das Gas ist – anders als Strom – flexibel transportier- und speicherbar.
Die Pilotanlage soll 2022 mit einem ersten Modul starten, danach soll bis 2028 jedes zweite Jahr ein neues Modul hinzukommen. Als Standorte für die Anlage kommen Diele – ein Ortsteil der Stadt Weener im Kreis Leer – sowie Conneforde in der Gemeinde Wiefelstede im Kreis Ammerland in Betracht. Dort gibt es Tennet-Umspannwerke, die vor allem Offshore-Windstrom aus der Nordsee bündeln und weiterverteilen.
Mit dem Pilotprojekt wollen die beteiligten Unternehmen erste Erfahrungen mit derartigen Anlagen im industriellen Maßstab sammeln. Eingesetzt werden könnte das erzeugte Gas als Kraftstoff im Verkehr, als Brennstoff zur Erzeugung von Wärme und Strom oder als Grundstoff in der Industrie.
Bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) für Ostfriesland und Papenburg zeigte sich der stellvertretende Hauptgeschäftsführer Jan Amelsbarg überrascht von dem Projekt. „Wenn sich diese Pläne konkretisieren sollten, hätten sie für mich auch bundesweit eine extrem starke Signalwirkung“, findet er. Die Technologie sei auf dem Weg zur Energiesicherung der Zukunft ein wichtiges Schlüsselelement.
Die geplanten Investitionen für das Projekt bezifferte eine Tennet-Sprecherin auf einen niedrigen dreistelligen Millionen-Bereich. Zum Hintergrund des Projekts gehört, dass der Ausbau des Stromnetzes vielerorts auf Widerstand stößt. Gas hingegen könnte über die bestehenden Leitungen transportiert werden. „Wenn wir große Mengen an erneuerbarem Strom speichern können, entlasten wir das Stromnetz“, erklärte Tennet-Geschäftsführer Lex Hartman.
Das sieht auch der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) so: „Die Speicherung und somit flexiblere Nutzung von erneuerbaren Energien ist als wesentliche Voraussetzung für die Sektorenkopplung im Energiebereich notwendig.“
Gekoppelt werden dabei Strom, Wärme und Verkehr. Das könne dazu beitragen, dass weniger Stromleitungen gebaut werden müssten. Standorte für Pilotanlagen müssen alle Kriterien der Umweltverträglichkeit erfüllen. Theoretisch steht das gesamte deutsche Gasnetz mit zahlreichen unterirdischen Gasspeichern für den Transport bereit. (dpa)
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