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Ökoreform der LandwirtschaftAgrarministerkonferenz vor Scheitern

Mehr Geld für kleine Höfe und Ökobauern? Nordrhein-Westfalens grüner Agrarminister Remmel sieht keinen Kompromiss mit Bund und anderen Ländern.

Wieviel Geld vom Staat sollen sie künftig bekommen? Bauern bei der Arbeit. Bild: dpa

BERLIN taz | Die am Donnerstag beginnende Konferenz der Agrarminister von Bund und Ländern droht zu scheitern. „Es ist nicht abzusehen, dass wir uns bei dem wichtigsten Tagesordnungspunkt, der Umsetzung der EU-Agrarreform, einigen können“, sagte Nordrhein-Westfalens Ressortchef Johannes Remmel (Grüne) am Mittwoch der taz. Auch die Union zeigt keine Kompromissbereitschaft. Damit gerät die Frage, wie die Landwirtschaft umweltfreundlicher und sozial gerechter werden soll, zum Spielball im Wahlkampf.

Geplant war, dass Bund und Länder bei der Konferenz in Würzburg festlegen, wie genau die jährlich sechs Milliarden Euro EU-Agrarsubventionen für die deutschen Bauern ab 2015 verteilt werden. Die Entscheidungen sind notwendig, weil sich die EU im Juni auf eine Reform der Zahlungen geeinigt hat, aber den Mitgliedstaaten große Spielräume lässt.

Umweltschützer wollen sie für eine Wende in der Agrarpolitik nutzen. Denn bisher sind die Landwirte hauptverantwortlich dafür, dass viele Tier- und Pflanzenarten in Deutschland aussterben. Zudem verursachen sie laut Umweltbundesamt 13 Prozent der Treibhausgase. Gleichzeitig fließen 80 Prozent der wichtigsten Subventionsart, der Direktzahlungen, an nur 20 Prozent der Höfe. Das sind Großbetriebe – je größer die Fläche, desto höher die Zahlung.

„Angeblich linke Landesregierung“

Der Nordrhein-Westfale Remmel und die vier anderen grünen Ressortchefs fordern deshalb, wie von der EU ermöglicht, 15 Prozent der Direktzahlungen auf kleine Betriebe zu konzentrieren. Weiteres Geld solle zum Beispiel für Ökolandbau, Tierschutz und Agrarumweltmaßnahmen ausgegeben werden. Bundesministerin Ilse Aigner (CSU) hat nur fünf Prozent für kleine Höfe und gar keine zusätzlichen Mittel für Ökobauern oder artgerechtere Ställe vorgeschlagen.

Remmel sagt nun: „Wir müssen uns gegebenenfalls noch ein bisschen Zeit nehmen, auch wenn dadurch Unsicherheiten für das nächste Jahr entstehen.“ Solche Äußerungen unmittelbar vor der Ministerkonferenz zeigen, dass die Grünen derzeit nicht zu Abstrichen bereit sind.

Würden sie nachgeben, könnten sie sich vor den Wahlen in Bayern, Hessen und dem Bund im September nicht mehr so leicht mit ihrem Thema „Bauernhöfe statt Agrarfabriken“ profilieren. Zudem hofft die Partei, dass Rot-Grün künftig zumindest die Regierung in Wiesbaden stellt. Dann ließen sich im Bundesrat ihre Agrarforderungen auch gegen das rot-rote Brandenburg mit seiner laut Remmel „angeblich linken Landesregierung“ durchsetzen. In Wirklichkeit betreibt diese dem NRW-Minister zufolge eine strikt konservative Agrarpolitik – zugunsten von Großbetrieben.

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4 Kommentare

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  • Ich finde es einseitig wie in der taz speziell von Jost Maurin über die Landwirtschaft berichtet wird:

    als wenn die Landwirte nur die Hand aufhalten und keine Lebensmittel produziern würden von denen letztendlich alle Menschen leben.

     

    Auch der Vorwurf auf das Konto der Landwirtschaft gehe eine Verarmung der Flora und Fauna trifft nicht generell.

     

    Selbstverständlich haben Wildtiere Probleme mit z.B. extrem großen arrondierten Feldern, Grünlandumbruch und der heute sehr schlagkräftigen Erntetechnik. Die Landwirtschaft hält aber die Landschaft frei und sorgt erst dadurch für Artenvielfalt die wir zu Armin des Cheruskers Zeiten so nicht hatten. Wo Landwirtschaft nicht mehr stattfindet wie z.B in vielen Mittelgebirgen wächst schlusendlich alle mit Busch und Wald zu.

     

    Subventionen gehören abgeschafft. Heute bevorzugen sie durch das Fehlen einer Kappungsgrenze tendentiell die Großbetriebe.

    Würde die Förderung speziell auf die Kleinbetriebe ausgerichtet läuft sie in Gefahr eine Museumslandwirtschaft zu erhalten bzw. wieder herzustellen.

     

    Klein ist nicht von Natur aus gut und Groß nicht grundsätzlich schlecht, die Mischung machts!

     

    Ich kenne neben sehr netten auch erzreaktionäre und engstirnige "bäuerliche" Landwirte aber auch erstaunlich offene und unideologische "Agrarunternehmer".

  • Am Besten wäre es wenn die Subventionen für die Landwirtschaft zeitlich gestreckt komplett auslaufen würden, dann könnte man sich in Zukunft auch solch ätzenden Bildunterschriften sparen.

     

    Überhaupt: Jost Maurin und die Landwirtschaft - irgendwann muss ihm im Kindergarten mal eine Bauernblage den Spielzeugtrecker weggenommen haben, anders kann ich mir viele seiner Artikel nicht erklären...

  • A
    agrar

    Aigner als verlängerter Arm …

     

    Bei der Frage um die Verteilung der Subventionen für Bauernhöfe oder für Agrarfabriken will Bundesministerin Ilse Aigner (CSU) nur fünf Prozent für kleine Höfe und gar keine zusätzlichen Mittel für Ökobauern oder artgerechtere Ställe geben. Das ist interessant vor dem historischen Hintergrund der sog. Bauernbefreiung Anfang des 19. Jh., in der die Strukturen besonders für Großgrundbesitz festgeschrieben wurden:

    Durch die von Gutsherren bestimmten Regulierungsbedingungen mussten die Bauern in den östlichen Provinzen Preußens etwa 420000 ha an diese abgeben. Durch den Erwerb von etwa 7000—8000 spannfähigen und etwa 14000—16000 nichtspannfähigen Bauernstellen eigneten sich die Gutsbesitzer rund 200 000 ha an. Dem Einziehen erledigter Höfe, besonders von Kleinbauern durch die Gutsherren, fielen weitere 300000—500000 ha Bauernland zum Opfer. Insgesamt betrugen die mit der „Bauernbefreiung“ verbundenen bäuerlichen Landverluste etwa 1 Million Hektar. Noch 1885 befanden sich nicht weniger als 32%, also fast ein Drittel Gesamtfläche der sieben östlichen Provinzen, im Eigentum der adligen Großgrundbesitzer (Nach u. nachzulesen bei HERRLITZ u.a., 1981 S. 21 – 23; ROSENBERG 1969, S. 7—49; LUTGE 1960, S. 291;).

    Hat sich etwas verändert in der Agrar-Politik in den letzten 200 Jahren? Oder setzt die heutige gar noch einen drauf?

    Christa Herzog

  • D
    D.J.

    Ich glaube ja, dass ökologische Landwirtschaft sich z.B. für Artenreichtum positiv auswirkt. Aber bisher konnte mir niemand erklären, warum Kleinbetriebe umweltfreundlicher sein sollen als Großbetriebe. Nichts gegen bäuerliche Romantik, aber mir schiene eher das Gegenteil logisch (z.B. wegen Fragen der Entsorgung und des Energieverbrauchs pro hergestelltem landwirtschaftlichen Erzeugnis). Aber vielleicht kann mir da jemand helfen?