■ Ökolumne: Gern Sündenbock Von Manfred Busch
RWE will den Niederrhein weiter umgraben. Doch der geplante Braunkohletagebau Garzweiler II würde am Niederrhein über 7.000 Menschen zur Umsiedlung zwingen. Grundwasser müßte über Tausende Quadratkilometer abgepumpt werden. Der Naturpark Maas-Schwalm-Nette stünde vor der Austrocknung. Und Trinkwasservorkommen im Rheinland würden vernichtet. Garzweiler II soll sich über 48 Millionen Quadratmeter erstrecken – am Ende entstünde ein Restloch von 23 Millionen Quadratmetern. Das ist ökologisch unverantwortlich.
Garzweiler II ist aber auch ein energiepolitisches Fossil, weil wir diese Braunkohle gar nicht mehr benötigen. Hochfliegende Energieprognosen haben sich nicht bestätigt. Fortschrittliche Energieszenarien zeigen, daß der Stromverbrauch langsamer wächst, als vorhergesagt. Und das, obwohl das Strom- und Energiesparen bislang noch nicht ernsthaft begonnen hat.
Garzweiler II ist also weder in der großen noch in einer verkleinerten Form notwendig für die Energieversorgung in Deutschland. Das Tagebauloch wäre sogar schädlich. Wenn in Garzweiler II Braunkohle abgebaggert werden kann, können die Stromkonzerne an ihrer überholten Energieverschwendungswirtschaft festhalten. Der Ausbau von Kraft-Wärme-Kopplung, Fernwärme und erneuerbare Energien sind die heute möglichen Alternativen zu Garzweiler II, die Umwelt und das Klima schonen. Zudem lassen sich mit den Alternativen viele zukunftsfähige Arbeitsplätze schaffen.
Bei der Landtagswahl 1995 sind Bündnis 90/Die Grünen mit dem Ziel angetreten, Garzweiler II zu verhindern. Die Partei und ihre Landtagsabgeordneten haben auch nach der Wahl immer wieder gesagt: Wenn das Loch kommt, sollte die Koalition gehen. Bündnis 90/Die Grünen werden eine Kapitulation der Landespolitik beim Klimaschutz nicht mittragen.
Unser Koalitionspartner SPD muß sich entscheiden: Wenn die Sozialdemokraten den alten Kurs der Energieverschwendung fortsetzen wollen, sollten sie das nicht mit uns versuchen. Es reicht nicht, in einen Koalitionsvertrag schöne Absichtserklärungen zu Energieeinsparung und rationeller Energienutzung zu machen. Absichten müssen auch umgesetzt werden. Rot-Grün zu reden, aber schwarz-rote Politik zu machen – das können wir der SPD nicht durchgehen lassen. Dabei setzen wir auch auf die Unterstützung vieler in der SPD, die den schwarz-roten Kurs ablehnen.
Wir Grünen setzen alle Hebel zur Verhinderung dieses Wahnsinnsprojekts ein. Sollte unsere Klage vor dem Landesverfassungsgericht in Münster Erfolg haben, müßte der Landtag ein Braunkohle-Plangesetz erlassen; dafür gibt es keine parlamentarische Mehrheit, solange wir in der Regierung sind. Sollten wir diesmal in Münster verlieren, ist nicht aller Tage abend. Weitere Klagen von betroffenen Gemeinden liegen schon bei den Gerichten. Und es gilt: Die GegnerInnen des Tagebaus müssen nur eine Klage gewinnen, um Garzweiler II zu verhindern – die Gegenseite alle.
Neben den rechtlichen Fragen haben die Befürworter des großen Lochs auch rein verwaltungsmäßig noch diverse Hürden zu überwinden. Rahmenbetriebsplan und wasserrechtliche Genehmigung müssen nach Recht und Gesetz von der Landesregierung geprüft werden. Hier sind noch viele fachliche Fragen offen. Eine laxe Genehmigungspraxis und eine vorschnelle Genehmigung wäre mit erheblichen Risiken für das Land verbunden. Das hat die Schadenersatzklage des RWE wegen der verpfuschten und damit rechtlich unwirksamen Genehmigung des AKW Mülheim-Kärlich gerade erst gezeigt.
Im Jahre 2000 schließlich steht in Nordrhein-Westfalen die Überprüfung des Braunkohleabbaus auf Herz und Nieren an. Hierzu zählen die Frage nach de Sozialverträglichkeit der Umsiedlungen, der ökologische Verträglichkeit und die energiepolitische Notwendigkeit der Braunkohle. Wir gehen davon aus, daß diese Überprüfung für den Tagebau Garzweiler II negativ ausfallen wird.
Selbst das RWE scheint immer mehr Zweifel am Sinn des Projekts zu haben. Allenthalben munkelt man, im Konzern werde nur noch ein Sündenbock gesucht, dem man die Schuld am Scheitern des „Jahrhundertprojekts“ Garzweiler II zuschieben kann. Wir Grünen stellen uns dafür gern zur Verfügung.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen