■ Ökolumne: Globalisierung der Frauenbewegung Von Christa Wichterich
„Wer sich nicht wehrt, kommt an den Herd“, skandierten vor ein paar Jahren deutsche Arbeiterinnen im Kampf um ihre Arbeitsplätze. In den Exportindustrien Südostasiens und Mittelamerikas müssen Arbeiterinnen nun immer häufiger die gegenteilige Erfahrung machen: Wer sich wehrt, kommt an den Herd. Wo sich Frauen organisieren und gegen jämmerliche Löhne, Gesundheitsrisiken und Sicherheitsmängel aufmucken, da setzt eine Entlassungswelle ein, wird die Produktion in Klitschen und Heimarbeit ausgelagert, mutieren Unternehmer über Nacht zu Nomaden und verschwinden. Das transnationale Kapital ist so flexibel und mobil wie nie zuvor.
Als Textilarbeiterinnen Ende 1996 in Kambodscha erstmalig gegen all dies auf die Straße gingen, drohten gleich 30 Unternehmen aus Taiwan, Hongkong und Malaysia ihren Rückzug aus dem Billigstlohnland an, wenn die Regierung ihre Investition nicht gegen Arbeitsunruhen schützen würde. Ein Jahr lang protestierten die Arbeiterinnen in einer britischen Textilfabrik in der Freien Produktionszone von Bataan auf den Philippinen für die Zahlung der Mindestlöhne. Ergebnis: Die Produktion wurde in eine Fabrik verlagert, wo die Arbeiterinnen weniger organisiert sind.
So lösen Liberalisierung und wachsende Konkurrenz auf dem globalen Markt einen Unterbietungswettbewerb auf dem Rücken der Beschäftigten aus: Ihre Rechte werden aufgeweicht, Gesundheits- und Umweltrisiken mißachtet, die Arbeitsintensität angeheizt. Gewerkschaftliche Kämpfe vor Ort erweisen sich dagegen als recht machtloses Aufbäumen. Auf dem globalen Markt müssen auch der Widerstand und Schutzmaßnahmen internationalisiert werden.
Der Internationale Bund Freier Gewerkschaften kämpfte im vergangenen Jahr für die Integration von Sozialklauseln in Handelsverträge der Welthandelsorganisation WTO, vor allem für die Grundrechte Organisierungsfreiheit, keine Zwangsarbeit, keine Kinderarbeit. Soziale Mindeststandards sollen den Ausweichmanövern der multinationalen Konzerne einen Riegel vorschieben.
Regierungen aus dem Süden, aber auch einige Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen (NRO) sind gegen Sozialklauseln, weil damit die Wettbewerbsvorteile ihrer Länder gefährdet würden. Geschwind malen sie das Gespenst der Erwerbslosigkeit an die Wand: Millionen Frauen würden ihre Jobs verlieren. Trotzdem befürworten die meisten Frauenorganisationen prinzipiell die Einführung sozialer Mindeststandards, weil Frauen besonders betroffen sind.
Dennoch sind viele Frauen zurückhaltend gegenüber der Kampagne des Gewerkschaftsbundes: etwa Angela Hale aus Manchester, die mit der Organisation Women Working Worldwide lokale Arbeitskämpfe von Frauen in der Exportindustrie unterstützt hat. Frauen haben oft andere Prioritäten als männliche Beschäftigte und die männerdominierten Gewerkschaften. Gefragt, was für sie das größte Problem bei ihrer Arbeit sei, antworteten Textilarbeiterinnen in Bangladesh: der Weg nach den Überstunden im Dunkeln nach Hause. Außerdem stehen Jobsicherheit, Mutterschutz, Schutz vor sexuellen Übergriffen und Kinderbetreuung ganz oben auf der Interessenliste.
Durchsetzbar sind solche sozialen Mindeststandards in großen Betrieben. Ihre Beachtung durch Subunternehmer und lokale Agenten in kleinen Betrieben, sweat shops und bei Heimarbeit sind dagegen kaum kontrollierbar. Dort arbeiten vor allem Frauen.
Auch VerbraucherInnenkampagnen für sozial gerechten Handel können helfen – wie die Kampagne für Saubere Kleidung in Deutschland oder Let's go fair für Sportschuhe in der Schweiz. Sie drängen Konzerne dazu, einen Verhaltenskodex zu unterzeichnen. Auch diese sollten stärker Frauenbelange einschließen, denn vier von fünf ArbeiterInnen in der Textil- und Schuhfertigung sind weiblich.
Auf dem globalen Markt braucht die internationale Frauensolidarität neue Wege und neue Instrumente. Soziale Mindeststandards ohne Blick auf die Belange und Beschäftigungsformen von Arbeiterinnen würden diese weiter marginalisieren.
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