■ Ökolumne: Innovationschance Von Michaele Hustedt
Ein Wahlprogramm soll Menschen anstacheln zu wählen. Wir Bündnisgrüne aber diskutieren über die Nato, die die Menschen in diesem Lande angesichts wachsender Arbeitslosigkeit nicht interessiert. Wir streiten uns über die 5-DM- Forderung zum Benzinpreis und geben damit dem politischen Gegner eine Steilvorlage, grüne Ziele bewußt falsch und negativ darzustellen.
Dabei kann unser Thema, die Bewältigung der ökologischen Krise, wenn man sie ins Zentrum der Innovationspolitik stellt, zum Modernisierungsmotor für Politik, Wissenschaft und vor allem für die Wirtschaft werden. Wirksame Umweltpolitik ist kein Wirtschaftshemmnis, sondern kann in den nächsten Jahren aufgrund der steigenden Nachfrage nach umwelt- und ressourcenschonenden Produktionsverfahren und Produkten zu einem entscheidenden Standortvorteil werden. Diese Chance muß auch in Deutschland endlich begriffen werden.
Bisher reduzierte sich die Diskussion um die Sicherung des Wirtschaftsstandorts Deutschland auf die Frage der Kostenreduktion. Doch ein entwickeltes Industrieland wird niemals die Kosten so reduzieren können und wollen, daß sie auf das Niveau osteuropäischer oder asiatischer Staaten absinken.
Entwickelte Industrienationen müssen vielmehr auf ihre Stärken setzen: auf Forschung, Bildung und Kommunikation. Sie müssen auf neue Produkte, neue Produktionsverfahren, neue Dienstleistungen setzen, kurz: sich im Innovationswettbewerb behaupten. Fragt sich nur, Innovation wofür und Innovation woher?
Erstens: Innovation muß für die Bewahrung der Lebensgrundlagen sorgen. Immer mehr Menschen werden sonst immer mehr Güter verbrauchen und dabei immer mehr Emissionen und Abfälle produzieren, die zu den jetzt schon produzierten Treibhausgasen, Ozonkillern und Abfällen addiert werden.
Deshalb werden umweltverträgliche Produkte und Produktionsverfahren die Exportschlager des kommenden Jahrhunderts. Diese Prognose ist ungleich einfacher als Voraussagen über sich wandelnde Konsumpräferenzen in anderen Bereichen.
Schon heute sehen Innovationsforscher das Verhältnis zum Umweltschutz als bedeutsamen Indikator für die Innovationsfähigkeit. In Deutschland allerdings wird dieser Zusammenhang noch nicht begriffen. „Umweltschutz ist etwas für gute Zeiten“, heißt es hierzulande. Das ist auch der Grundgedanke, der die Politik der Bundesregierung bestimmt. Deutschland ist deswegen inzwischen vom Vorreiter ins Mittelfeld moderner Umweltpolitik abgerutscht und verliert Schritt für Schritt an Boden.
Doch wie schafft man Innovation? Innovation bedeutet Ersatz von Altem durch etwas Neues. Innovationshemmnisse sind also besonders da zu erwarten, wo etablierte Märkte betroffen sind. Innovationspolitik heißt bewußt die Pioniere gegen das Bestehende stützen.
Die staatlichen Rahmenbedingungen müssen so geändert werden, daß innovative Techniken und Produkte Absatzmärkte finden. Das gilt z. B. für Energiespartechniken und erneuerbare Energieträger durch ökologische Steuerreform, Stromeinspeisungsgesetz und ein ökologisches Energiewirtschaftsgesetz. Schon Schumpeter sagte, daß Innovationen mit „schöpferischer Zerstörung“ verbunden sind. Dies gilt auch beim Ausstieg aus der Atomindustrie.
Innovationspolitik bedeutet also Mut zum Strukturwandel. Dabei wird es auch Verlierer geben. Aber ohne Wandel wird die Zahl der Verlierer ungleich größer sein. Wenn man erst auf Innovationen setzt, wenn alle anderen sie haben, sind es keine Innovationen mehr. Damit wird das Argument, das gegen den Umweltschutz angeführt wird, daß man es erst dann machen kann, wenn es alle anderen machen, obsolet, ja, geradezu ins Gegenteil verkehrt. Nationale Alleingänge sind schon deswegen zwingend geboten. Außerdem birgt eine Vorreiterrolle auch Vorteile in der internationalen Arbeitsteilung: Vorreiter sind nämlich in der Lage, die internationale Entwicklung der Umweltpolitik den eigenen Interessen entsprechend zu gestalten. Wenn durch internationale Verhandlung der neue eigene Stand der Technik auch für die Nachzügler festgeschrieben wird, werden Arbeitsmärkte für die Pionierindustrie der Vorreiterländer geschaffen.
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