Ökolumne: Ohne Kläger auch kein Richter
■ Ein Klagerecht für Verbände würde den Umweltschutz deutlich verbessern
Zu den Projekten, die sich die Bundesregierung vorgenommen hat, gehört auch eines, das bisher kaum bekannt ist, dafür aber um so sorgfältiger vorbereitet wurde: das Umweltgesetzbuch (UGB). Rund ein Jahrzehnt haben zwei Sachverständigenkommissionen daran gearbeitet. Ende 1997, also bereits vor dem Regierungswechsel, haben sie ihr über 2.000 Paragraphen starkes Werk vorgestellt.
Aber keine Angst: Die Zahl der Paragraphen täuscht. Das Gesetz schafft zugleich die doppelte Menge ab. Es dient nämlich der Harmonisierung des heillos zersplitterten Umweltrechts. So dick es ist, so sehr ist es doch Ausdruck von Rechtsvereinfachung.
Das allein macht den Charme des UGB aber nicht aus. Das eigentlich Innovative liegt darin, daß es zugleich nicht weniger Umweltschutz will, sondern mehr.
Um dies zu erreichen und um aus geschriebenem Recht auch umgesetztes Recht zu machen, gibt es ein zentrales Element – die stärkere Beteiligung der Öffentlichkeit. Hier mauerte die vorangegangene Bundesregierung sowohl bei der Unterzeichnung der Aarhus-Konvention, wie auch bei der Verbandsklage. Die neue Regierung hat dann im allerletzen Augenblick, am 31.12.98, die internationale Konvention unterschrieben, die für die Bürger ein Recht auf Umweltinformationen gegenüber Behörden und Unternehmen vorsieht. Auch zur Einführung der bundesweiten Verbandsklage hat sich die rotgrüne Bundesregierung in der Koalitionsvereinbarung selbst verpflichtet. Die Juristen des BUND haben hierzu einen Gesetzesentwurf erarbeitet, mit dem sie die Diskussion vorantreiben und das Gesetz beeinflußen wollen.
Die Ausweitung der Klagerechte steht für den BUND mit im Zentrum der Umweltpolitik. Die Erfahrungen mit dem bestehenden Recht zeigen nämlich, daß in dem weitgehenden Fehlen von Klagerechten für den Umweltschutz ein Systemfehler des deutschen Rechts liegt, in dessen Folge viel weniger Umweltrecht durchgesetzt wird, als in den Gesetzen geschrieben steht.
Das funktioniert so: Nach deutschem Recht dürfen grundsätzlich nur diejenigen klagen, die sich auf ein „subjektives Recht“ berufen können. Das ist im Umweltbereich fast nie der Fall. So können etwa Nachbarn nur gegen zu hohe Immissionen (Werte für den Ort der Belastung) klagen, nicht aber gegen zu hohe Werte des Ausstoßes von Schadstoffen (also etwa am Schornstein). Gegen Bodenverschmutzungen, Schadstoffe in Produkten, unzulässige Abfallbeseitigung kann überhaupt niemand klagen. Entsprechendes gilt – mit eng eingegrenzter Ausnahme einiger Länder – auch für Beeinträchtigungen der Natur.
Die Praxis zeigt aber, daß das Recht nur dann wirklich ernstgenommen wird, wenn es im Zweifel auch einklagbar ist. So hat das Fehlen von Klagerechten dazu geführt, daß die Umweltvorschriften in vielen Fällen Papiertiger geblieben sind.
Es ist dringend nötig, diesen Mißstand zu beheben. Von anderen Ländern können wir dabei lernen. Die USA und Frankreich machen es uns vor. Dort kommt es nur auf die persönliche Betroffenheit an, nicht auf spezielle „subjektive Rechte“. Und das führt nicht, wie Kritiker argwöhnten, zu einer Klageflut, sondern dazu, daß sich alle Beteiligten von vornherein auf die umfassenden Klagerechte einstellen und umweltgerechter planen. Deshalb hat sich in diesen beiden Ländern eine regelrechte Kultur der außergerichtlichen Einigung entwickelt.
Entsprechendes möchte der BUND auch in Deutschland erreichen. Der Gesetzentwurf des BUND sieht eine allgemeine Verbandsklage vor, die sich auf alle Umweltbelange erstreckt, einschließlich des Verbraucherschutzes. Außerdem eine weitgehende Lockerung des Rechts zu Individualklagen.
Mit seinen Vorschlägen will der BUND den Gesetzgebungsprozeß konstruktiv begleiten. Vielleicht gelingt es ja, abseits der oft kurzatmigen Regierungshektik mit Sorgfalt und guten Argumenten an den Projekten UGB und Umweltklage zu arbeiten. Insofern macht es zwar skeptisch, daß die ersten internen Entwürfe des Umweltministeriums wenig von der Innovationskraft des Sachverständigenentwurfes erkennen lassen. Aber die Arbeit hat ja erst begonnen. Angelika Zahrnt
Angelika Zahrnt (54) ist Vorsitzende des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND). Die Volkswirtin gilt als Vordenkerin in Sachen Nachhaltigkeit
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