Ökobilanz Elektro-Roller: „Zu Fuß gehen ist besser“
E-Scooter sind sinnvoll, wenn sie die Leute davon abbringen, Auto zu fahren, sagt der Hamburger Umweltökonom Grischa Perino.
taz: Herr Perino, die Verleiher von E-Scootern behaupten, die Roller seien nachhaltig. Ist das so?
Grischa Perino: Für eine Gesamtbeurteilung ist es schlichtweg noch zu früh. Die Idee ist, dass es die Roller in Kombination mit dem ÖPNV leichter machen, auf das eigene Auto zu verzichten. Werden Mobilitätsmodi ersetzt, die sonst zur Verschmutzung geführt hätten, ist das auf der Plus-Seite anzurechnen.
Und die Negativ-Seite?
Hier stellt sich die Frage, welche Schäden verursachen die Scooter selbst, und da müssen wir unterscheiden: Die Herstellung verbraucht Materialien und verursacht Emissionen. Für Batterien werden zum Beispiel seltene Rohstoffe benutzt. Wie nachhaltig das im Detail ist, hängt von der jeweils verwendeten Technologie ab. In der Nutzung entstehen erst mal vor Ort keine Emissionen, aber Radwege können verstopft oder die Roller in die Landschaft geworfen werden.
Können E-Roller eine Alternative zum Auto darstellen, so wie es der Bundesverkehrsminister behauptet?
Wohl nur für die letzte Meile zwischen Bahnhof und Zielort oder für Bewohner der Innenstadt. Menschen, die im Hamburger Umland wohnen, werden nicht mit dem E-Scooter in die Innenstadt fahren. Der erste Teil des Pendels – also vom Wohnort zum ersten Bahnhof – wäre vermutlich wichtiger, da die Distanz oft größer ist. Und ob da E-Scooter funktionieren, müsste man noch sehen.
Ist es wirklich umweltfreundlich, für die sogenannte letzte Meile ein E-Gefährt zu benutzen?
Nur dann, wenn man sonst das Auto genommen hätte. Aber zu Fuß gehen oder ein Leihfahrrad wären noch besser.
Welche Rolle spielt die Herkunft des Stroms?
Der Stromsektor in Deutschland unterliegt dem europäischen Emissionshandelssystem. Selbst wenn durch die Nutzung der Elektroroller die Nachfrage nach Strom steigt, führt das nicht direkt zu mehr CO2-Emissionen, weil der Emissionshandel die Gesamtmenge an CO2-Emissionen deckelt. Es würde deshalb lediglich eine Verschiebung von Emissionen bedeuten, aber keinen Zuwachs. Um die CO2-Emissionen, die mit der Stromerzeugung verbunden sind, muss man sich also erst mal keine Sorgen machen, in der Beziehung sind die E-Scooter klimaneutral. Die Batterien sind was anderes: Die beanspruchen Ressourcen, die selten sind und auch nicht immer unter idealen Bedingungen abgebaut werden – das gilt aber auch für Laptops und Handys. Da sollte man nach Alternativen suchen, die diese Problematik nicht haben.
Aber der Strom wird auch in Kohlekraftwerken erzeugt.
Ein Teil stammt aus Kohlekraftwerken, aber diese unterliegen eben dem Emissionshandel. Es gibt nur eine begrenzte Anzahl an Zertifikaten, die einem erlauben, eine Tonne CO2 zu verursachen. Ein Kohlekraftwerk muss für jede Tonne, die es verursacht, so ein Zertifikat einreichen. Benötigt das Kraftwerk das Zertifikat nicht, wird es zum Beispiel an ein Aluminiumwerk oder an ein anderes Kohlekraftwerk oder eine Fluglinie verkauft. Die Gesamtmenge an CO2-Emissionen bleibt die gleiche. Dem Klima ist es egal, wo das CO2 ausgestoßen wird. Die einzige Möglichkeit, den Ausstoß zu vermeiden, wäre, die Obergrenze im Emissionshandel zu ändern. Das ist in erster Linie Aufgabe der Politik. Die Reform des Emissionshandels im letzten Jahr war da ein Fortschritt, aber da ist noch Luft nach oben.
Welches ist das klimafreundlichste Fortbewegungsmittel in den Innenstädten?
Zu Fuß gehen und Fahrrad fahren sind allemal besser als ein E-Scooter. Im Vergleich zu öffentlichem Nahverkehr, insbesondere U- und S-Bahn, zieht er vermutlich ebenfalls den Kürzeren.
Was bringen E-Scooter also für eine Reduktion von CO2-Emissionen?
Das hängt hauptsächlich davon ab, wie sie genutzt werden. Wenn sie dazu führen, dass weniger Auto gefahren wird, dann helfen sie bei der Reduktion von CO2-Emissionen, sonst vermutlich nicht. Was wichtig ist: Autoabgase unterliegen nicht dem Emissionshandel. Diese Emissionen zu reduzieren ist tatsächlich ein Beitrag zum Klimaschutz.
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