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Öko-WCs in DeutschlandKlug scheißen

Kompost-Toiletten auf Festivals stinken nicht, verbrauchen kein Wasser und erzeugen Humus. Der Besuch kostet allerdings zwei Euro.

Ganz so wie dieses Kunstwerk sehen die Öko-Klos nicht aus. Bild: ap

BERLIN taz | Toiletten brauchen Aufmerksamkeit. Das dachten zwei Studenten der Kiel School of Sustainability und entwarfen Kompost-Toiletten für Festivals als Ersatz für stinkende Dixi-Klos. Mit ihrer Idee gewannen sie 2013 den yooweedoo-Ideenwettbewerb, mit dem Preisgeld gingen sie noch im gleichen Sommer mit zwei Klos auf Festival-Tour.

Weil es so gut lief, gründeten sie die Goldeimer GmbH und waren dieses Jahr mit 20 mobilen Toiletten während drei Monaten auf rund zwölf Festivals unterwegs. „Mit unserem Pilotprojekt wollen wir Veranstalter inspirieren, auf Kompost-Toiletten umzusatteln“, erklären Markus Bier, 30, und Malte Schremmer, 27.

Das Prinzip basiert auf einem simplen Grundgedanken: Der Mensch soll der Erde zurückgeben, was er von ihr genommen hat. „Bis zu 24 Milliarden Tonnen Humus gehen jährlich durch Bodenerosion und falsche Landbewirtschaftung verloren“, erklären die Klokonstrukteure. Die konventionelle Wassertoilette sei daran mitschuldig: Menschliche Ausscheidungen enthalten wichtige Nährstoffe, die jedoch mit Kläranlagen entsorgt werden.

Die Kompost-Toilette hingegen verwandelt den Kot in eineinhalb Jahren zu kostbarem Humus. Dabei spült man sein Geschäft nicht mit Wasser, sondern deckt es mit Sägespänen und Pflanzenkohle zu und lässt das Ganze mit effektiven Mikroorganismen reagieren.

Mit Literatur und Musik

Der Clou: es entstehen keine Gerüche. Doch was passiert mit Drogen und Medikamenten im Kompost, die gerade auf Festivals häufig konsumiert werden? „Wir können nicht ändern, was die Leute zu sich nehmen“, sagt Malte Schremmer.

Mit den Kompost-Klos soll der Toilettengang zudem unterhaltsamer werden: Die fahrbaren Toiletten sind mit Magazinen und Musik ausgestattet, die Wände zieren Graffities. „Wir haben ein Festivalklo zu Heimscheißer-Konditionen entwickelt“, sagen die Gründer.

Ob da die Schlange nicht zu lang wird? „Wir hatten tatsächlich immer Wartezeiten, versuchten die aber mit Unterhaltung und Information zu unserem Projekt zu verkürzen“, erklärt Markus Bier. Das Goldeimergelände sei mitunter auch ein sozialer Treffpunkt gewesen.

Allerdings ist der Komfort nicht umsonst: Zwei Euro kostet das Toiletten-Erlebnis. Ein Teil davon geht an den Verein Viva con Agua, der zu 60 Prozent an der Goldeimer GmbH beteiligt ist. Zusammen mit der Deutschen Welthungerhilfe setzt sich der Verein mit seinen „Wash“-Projekten für eine verbesserte Sanitätssituation in Afrika ein.

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13 Kommentare

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  • Komposttoiletten gibt es schon ewig. Wir selbst bieten sie weltweit schon seit 1997 an.

     

    Modelle, die separieren und mit Entlüftung arbeiten, müssen nicht riechen.

     

    Drogen & Co., die auch erst einmal einen Moment benötigen, wenn sie den Körper tatsächlich nachweisbar verlassen sollten, fallen alternativ in unseren Kläranlagen an und kommen somit direkt auf die Felder - also kein Gegenargument!

     

    Auch in Deutschland macht Wassersparen Sinn. Es gibt einige Regionen und fast überall Jahreszeiten, in denen das für jedermann sichtbar ist. Und auf den fallenden Grundwasserspiegel schaut kaum jemand...

     

    2 Euro für einen Toiletten-Gang ist viel. Das hat aber nicht mit diesem System zu tun, sondern dem noch einzigartigen Aufwand. Die Wasserspülklos kosten aber manchmal auch fast soviel. Immer mehr besorgen sich aber selbst eine Komposttoilette, die dann auf dem Festival, im WoMo, Zelt oder extra Hütte, für sich und die Freunde steht. Billig-Modelle rechnen sich schon bei einem Festival, die Anspruchsvollen ganz sicher über die Jahre - und es gibt kein Anstellen...

     

    Ich habe in Wacken mein eigenes [link=http://www.oeko-energie.de/produkte/komposttoiletten/index.html]Klo[/link]

  • D
    D.J.

    Keine schlechte Idee, aber:

     

    "Doch was passiert mit Drogen und Medikamenten im Kompost, die gerade auf Festivals häufig konsumiert werden? „Wir können nicht ändern, was die Leute zu sich nehmen“, sagt Malte Schremmer."

     

    Hmm, das kenne ich doch: Wo Öko draufsteht, da schaut man zuweilen nicht so genau hin, wenn es um Schadstoffe geht.

    • @D.J.:

      Der Abbau von Schadstoffen, Pharmazeutika, Hormonen ist auch von der Behandlungsdauer abhängig. Im gegensatz zur Kläranlage haben die Mikroorganismen bei Kompostklos dafür viel mehr Zeit, bevor das Produkt wieder in den Kreislauf kommt. Außerdem wird alles nicht mit Industrieabwässern vermischt. Steht alles auf http://komposttoilette.com/#FAQ_-_Kompostklo

    • @D.J.:

      Die Antwort ist wirklich sehr schlecht für das Gesamtbild dieser im Grunde sehr guten Idee und zeugt vor allem von Unwissen... Diese Fragen sind nicht unerforscht und in allen gängigen Studien konnte keine Anreicherung von Pharamzeutika und euch keine erhöhte Hormonaktivität z.B. in der Pflanze nachgewiesen werden.

  • allein dem satz ´festivalklo zu heimscheisserkonditionen´gebuehrt schon das entgelt. bravo goldeimer!

  • Die Idee kommt kaum aus Deutschland - wenn ich dann von Pilotprojekt lese find ich's immer recht merkwürdig ... Komposttoiletten gibt es schon jahrelang auf Festivals bspw. in Portugal (Boom-Festival) ... nur dass man dort nicht extra für bezahlen muss. 2 EUR für ein Klo-Besuch der weder Wasser noch chemikalien verbraucht? Klar, entsprechende Toiletten zu bauen und zu transportieren ist mit Aufwand verbunden, aber eine Konkurrenz zum Festival-Chemiklo sind sie aus Nutzersicht damit weniger (deren Mietkosten ja auch durch die Eintrittskarte gedeckt ist). Da finde ich es ja noch legitimer, dass man für ein Dixi (Chemiklo) hier und da manchmal 50 cent extra hinlegen muss ...

  • Zwei Euro für ein Mal auf Klo gehen? Da wird man ja ganz schön geschröpft. Unschön v.a. für Leute mit (chronischen) Verdauungsschwierigkeiten oder Darmentzündungen etc.

    Der soziale Obolus an Viva con agua wird so quasi zwangsweise abgenommen. Ich konsumiere ja gern fair, nachhaltig und von mir aus auch mit nem Aufschlag für soziale Projekte. Aber muss das auch beim Klogang sein?

     

    Und zudem: Die Kontaminierung mit Medikamentenrückständen wird wohl gar nicht weiter beachtet (laut Zitat). Es gibt auch Kompostklo-fürs-Festival-Anbieter, die machen Biogas draus. Waren auch Holzklos und kostenlos.

  • Ich habe ähnlich konzipierte Toiletten schon vor Jahren im Ökodorf Sieben Linden kennengelernt und seither bedauert, dass es solche nicht in ganz normalen Mietshäusern gibt. Dass wir unser grosses "Geschäft" teilweise mit mehr Trinkwasser herunterspülen, als Menschen in anderen Erdteilen für einen ganzen Tag haben, finde ich äusserst bedenklich!

    • @Lesebrille:

      Auch ich habe ein solches "Bio-Klo", ein dänisches Modell, im Wohnhaus einer Freundin kennengelernt. Der Container war im Keller - direkt unter der Küche, dennoch keinerlei üble Gerüche, es duftete eher angenehm nach nach Waldboden. Faszinierend, wie Mikroorganismen die menschlichen Produkte binnen relativ kurzer Zeit zu Humus verarbeiteten, die hinterher den Obstbäumen auf dem angrenzenden Gartengrundstück zugute kamen. Ein Traum: alles gedieh bei ihr prächtig - und ganz ohne Chemie!!!!

      Außerdem nutzten sie neben dem städtischen auch noch mindestens 50% Regenwasser für die Bewässerung der Pflanzen.

      Nachteil: sowas können sich natürlich leider nur Gutbetuchte mit eigenem Haus und Garten leisten.

    • @Lesebrille:

      Das ist halt in Deutschland Unsinn, auch wenn es auf den ersten Blick vernünftig scheint. Wasser ist ein extrem lokales Gut, da man es schlecht transportieren kann (in den benätigten Mengen). Wenn wir in Deutschland Wasser sparan, hat deshalb die Sahara trotzdem keinen Tropfen Wasser mehr.

       

      In Deutschland ist das Wasser Sparen so beliebt, das stellenweise die Rohre nicht genug durchspült werden. Daher pumpen einige Betreiber einfach so Unmengen von Wasser durch die Rohre. Die Alternative wäre, Rohre mit kleinerem Durchmesser zu verlegen, aber das Neuverlegen ist natürlich extrem teuer.

      • D
        D.J.
        @Dubiosos:

        Das ist zwar richtig, und in dem Bereich wird auch viel unfassbarer pseudo-ökologischer Unsinn erzählt (überhaupt sollte man eher von Wassergebrauch statt -verbrauch spreche). Aber die Aufbereitung kostet natürlich auch noch andere Ressourcen. Von daher könnte es z.B. sinnvoll sein, Nicht-Trinkwasser runterzuspülen, wo das ohne großen Aufwand möglich ist. Andererseits sind die Fixkosten bei Wasseraufbereitung so hoch, dass man bei vermehrtem Sparen ja den Effekt einer dauernden Erhöhung der Literpreise hat.

        • @D.J.:

          Wenn es um Komposttoiletten geht dann ist gerade im urbanen, großrahmigen Stil wichtig die Vorteile der "Entsorgung" durch Kompostierung zu betrachten. Die Entsorgung in den Klärwerken ist sehr energie- und somit kostenintensiv. Über die Kompostierung könnte man die S**e umweltfreundlich entsorgen und würde der Erde sogar etwas wertvolles zurück geben.

          Dezentralisierte Aufbereitungsanlagen haben außerdem große Probleme, z.B. mit der Wartung ihrer Abwasserrohre etc., weshalb es an der Zeit ist über intelligente Alternativen nachzudenken.

  • geh' auf kein konzert, wo soll ich scheissen?!