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Öffentliche Verwaltung auf Social MediaRückzug ist keine Option

Johannes Drosdowski
Kommentar von Johannes Drosdowski

Sollten öffentliche Verwaltungen wie die Kommunen aus den sozialen Medien aussteigen? Nein, sie müssen sich nur andere, bessere Strategien überlegen.

Die öffentliche Verwaltung hat die Aufgabe, mit der Öffentlichkeit ins Gespräch zu gehen, hier: Anzeige in einem Einwohnermeldeamt Foto: Peter Endig/imago

D er Präsident des Deutschen Landkreistages, Achim Brötel, hat in einem Gespräch mit der Funke Mediengruppe Städten und Gemeinden empfohlen, über einen Rückzug aus sozialen Medien nachzudenken. Als öffentliche Verwaltung sollte man „ernsthaft überlegen“, ob man die Plattformen, die laut ihm vielfach „Biotope der Respektlosigkeit“ seien, „künftig überhaupt noch bespielen“ wolle.

Diese Haltung ist problematisch. Der CDU-Politiker hat zwar recht: Auf vielen Plattformen ist die Stimmung aufgeheizt. Der rechte Milliardär und Trump- wie AfD-Unterstützer Elon Musk hat X (ehemals Twitter) in wenigen Jahren ethisch heruntergewirtschaftet und seinen ideologischen Geschwistern kredenzt.

Auf TikTok, Meta, Reddit, Snapchat und Co werden konstant auch Propaganda, Fake News und Hass verbreitet. Der Zustand der sozia­len Medien ist grauenhaft. Ein Rückzug der öffentlichen Verwaltung, etwa der Kommunen, der Ämter und Ministerien oder der Universitäten ist allerdings eine Flucht vor den eigenen Verpflichtungen.

Über neue Strategien nachdenken

Die öffentliche Verwaltung hat die Aufgabe, mit der Öffentlichkeit ins Gespräch zu gehen. Und die sitzt nicht nur in Versammlungen im Gemeindehaus. Die Öffentlichkeit treibt sich auch an dreckigeren Orten herum, zum Beispiel auf Internetplattformen.

Gerade deswegen sollte man nicht über Rückzug, sondern über Strategien nachdenken: Auf welcher Plattform wollen und können wir uns zeigen? Und wie? Städte sollten auf Snapchat Jung­wäh­le­r*in­nen einfache Wege zur Briefwahl aufweisen. Die Volkshochschulen sollten auf Pinterest die Ergebnisse des letzten Fotografiekurses präsentieren und die Bücherei auf TikTok ihre Neuzugänge. Das Rathaus müsste auf Instagram und Facebook, wo sich so viele Bü­ge­r*in­nen aufhalten, über Neubauprojekte und den Zustand der Schulen berichten.

Unterschiedliche Social-Media-Plattformen bieten unterschiedliche Nischen und Möglichkeiten. Man muss sie nur nutzen, statt sich der Verantwortung zu entziehen, die man als Institution der öffentlichen Verwaltung hat: Kommunikation mit der Öffentlichkeit.

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Johannes Drosdowski
Redakteur Medien/Digitales
Redakteur für Medien und Digitales. Ansonsten freier Journalist und Teamer zum Thema Verschwörungserzählungen und Fake News. Steht auf Comics, Zombies und das Internet. Mastodon: @drosdowski@social.anoxinon.de
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13 Kommentare

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  • Das Grundproblem der Verwaltung sind die fehlenden Ressourcen. Für professionelle Öffentlichkeitsarbeit fehlen Marketingetat und entsprechend qualifizierte Mitarbeiter. Für ein neben- oder ehrenamtliches Hobby Dienstweg und verwaltungstechnische Freiheiten. Staatliche Verwaltung ist außerhalb ihres Kerngeschäfts in der Regel einfach eine große Konzernbürokratiie ohne Profitperspektive.

  • Es gibt Alternativen zu den Apps des Überwachungskapitalismus, die die meisten Menschen nicht kennen oder wider besseren Wissens nicht nutzen, weil "alle" auf den einschlägigen Big-Tech-Plattfornen sind. Es wäre eine gute Sache, wenn die öffentlichen Verwaltungen, demokratischen Parteien, NGOs diesem Netzwerkeffekt entgegenwirken würden, indem sie die tracking-, hass- und fakenewsfreien Plattformen nutzen und auf den anderen dafür werben würden.

    • @sàmi2:

      Was ist verkehrt an einer Website und E-Mail? Das kennen alle. Und wer Kontakt mit der Verwaltung sucht, findet sie auch, die verstecken sich ja nicht.



      Leute, die von SM nicht lassen können, wollen auf die Follower nicht verzichten. Wer glaubt, er könne in diesen Foren junge Geister zur Demokratie bekehren, ist von allen guten Geistern verlassen und wird über kurz oder lang selbst bekehrt. Genau wie es all den jungen Leuten vorher ging. Stolze Digital Natives, die jetzt nach der Pfeife der Tech-Bros tanzen. Die jungen Leute haben sich dort radikalisiert, die sind nicht als Nazis aus dem Ei geschlüpft! Und niemand ist immun.

  • Der Author hat Recht. Faceboox, Twitter etc. sind kostenlos und werden stark genutzt. Wesentliche News der Öffentlichen sollten auf allen relevanten Kanälen gepusht werden, der eigenen Website und Social Media Kanälen ist ja auch kein entweder oder und STRG C + STRG V ist nicht schwer zu erlernen.

    • @Miriam:

      Ich denke, hier ist von sozialen Medien die Rede, in denen Bewegtbildinhalte dominieren. Mit ein bisschen Copy+Paste ist es nicht getan ... die News müssen mit erheblichem Aufwand zielgruppengerecht erstellt werden.

  • Die sog. sozialen Medien finanzieren sich durch Werbung bzw. Daten- und Zeitdiebstahl, man muss sich dort anmelden und Daten freigeben. Das ist kein "öffentlicher" Ort. Wer in den sog. sozialen Medien tut dies in der Regel mit einem Smartphone oder Computer, damit kann man auch Websites aufrufen, bei denen man sich nicht anmelden muss.



    Schon mal was von Barrierefreiheit gehört? Warum sollte man Informationen zu öffentlichen Angelegenheiten auch über fragwürdige Kanäle in Schmuddelecken teilen. Vor den sog. sozialen Medien fand die Information der Öffentlichkeit auch nicht in Schmuddelecken wie Puffs, übel beleumundeten Kneipen und Bahnhofstoiletten statt.

    • @Axel Schäfer:

      Ziemlich traurig, wenn sie die Welt der Kids und Jugendlichen mit Puffs, Bahnhofstoiletten oder Kneipen vergleichen, wovon zumindest letztere nicht selten ein TV-Gerät immer auf Laufen halten. In diesem Sinne ...

  • In erster Linie Kommunizieren sie dort nur mit Journalisten und Trollen. Das geht auch über die Website. Es kostet unnötige Steuermittel und zeugt von Dekadenz, wenn die öffentliche Verwaltung ansonsten zu langsam und vor allem zu oft zum Nachteil der Bürger kleine, süße Fehlerchen produziert (gegen die man selbstverständlich immer klagen kann, ist doch ein Rechtsstaat).

  • Den Vorschlag finde ich nett gemeint, aber etwas blauäugig. Jemand, der auf TikTok ist, wird sich nicht ein Pinterest-Account zulegen, um zu erfahren, was die VHS so macht, und auf die Idee, Bürgerinfos etc. nur noch auf Insta und FB finden zu können, wird niemand kommen.

    Aber wenn sich rumsprechen, und wenn es von den Ämtern entsprechend beworben würde, dass man alle Infos, die man sucht, ausschließlich im Fediverse bekommt, auf Mastodon z.B. oder Pixelfed (oder Wordpress, for that matter), wäre das ein Schritt in die richtige Rchtung.

    Denn die Frage ist nicht, welche proprietäre Spionage-Plattform besser wofür ist. Die Frage ist, wie wir Öffentlichkeit abseits der Broligarchy organisieren können. Und genau da hätten die Verwaltungen eine wichtige Rolle zu spielen - der sie sich bisher entziehen und mit der im Text gemachten Vorgehensweise weiterhin entziehen würden.

  • Dass die Sicherheit persönlicher Daten in den digitalen Kommunikationsmedien kontrolliert werden könnte, ist eine hartnäckige Illusion. Daten werden gesammelt, geklaut, gehandelt, ausgewertet und verwertet. NutzerInnen haben keine Kontrolle und auch öffentliche Datenschutzbeauftragte haben keinen effektiven Zugriff darauf, was mit unser aller Daten gemacht wird. Schon deswegen sollte bei der Nutzung von digitalen Kommunikationsmedien äußerste Vorsicht das Gebot sein. Ob Freund oder Feind, unsere Daten werden gegen uns eingesetzt und das Spektrum des Datenmissbrauchs endet nicht bei der Manipulation. Die ist eigentlich Standard.

    Die 'Aufgabe, mit der Öffentlichkeit ins Gespräch zu gehen', erfordert es, mit den Menschen reden. Dass dabei durch Digitalisierung Zeit- und Arbeit gespart, die Effizienz gesteigert würde, ist auch eine hartnäckige Illusion. Ergebnisorientierte Gespräche brauchen immer Zeit: Zeit zum Zuhören, Nachfragen, Erklären und um Empathie zu kommunizieren. Das Streben, alle erdenklichen Prozesse zu beschleunigen, ist mehr Ausdruck eines pathologischen Optimierungswahns, als ein Mittel, das Leben für möglichst viele Menschen besser zu machen.

  • Ich finde nicht, dass man der Öffentlichkeit zwingend hinterher laufen muss. Wenn ich mich über Briefwahl informieren will, gehe ich auf die Webseite der zuständigen Behörde, welche auch in der Wahlbenachichtigung als QR-Code verlinkt ist, ich brauch in dem Fall also nicht mal zwingend eine Suchmaschine. Wikipedia kann mir auch schon einiges erklären. Wenn ich einer Sache unbedingt folgen will, bevorzuge ich RSS. Geht auch mit Mastodon-Feeds. Man muss nicht bei Mastodon registriert sein um passiv etwas zu folgen. Ich kann mir vorstellen das die Zahl der "Follower" auf Mastodon daher auch unterschätzt sein könnte.

  • Ein frommer Wunsch, die Realität sieht leider anders aus. Die Verwaltungen sind trotz personeller Überbelegung schon damit überfordert sich selbst zu verwalten. Dank Corona machen sie so gut wie nichts mehr und sind auch für den Bürger in ihrem Elfenbeinturm nur noch sehr schwer zu erreichen. Das erfährt man als Bürger wenn man zum Beispiel neue Ausweise braucht und man schon an der Online-Terminvergabe scheitert. Man muss dann einen telefonischen Termin ausmachen der daran scheitert das niemand ans Telefon geht. Die ganze Prozedur dauert dann 4 Monate und kostet viele Nerven.

    • @Graf Zahl:

      Echt? So schlimm?



      Hier in der Verwaltung ist es kein Problem. Auch kann man nicht davon sprechen, dass sie nichts mehr machen.



      Also, alles nicht so schwarz-weiss.

      Abgesehen davon, zu dem Urkommentar: nein, es macht keinen Sinn, wenn verschiedene Verwaltungen auf verschiedenen Plattformen essentielle Informationen verbreiten.