Öffentlich-private Partnerschaften: ÖPP funktioniert im Straßenbau nicht
Das Verkehrsministerium hält an öffentlich-privaten Partnerschaften fest. Und das obwohl ÖPP im Straßenbau extrem unwirtschaftlich ist.
Schon 2014 hatten die Prüfer Verkehrsminister Alexander Dobrindt vorgerechnet, dass fünf der sechs existierenden Bundesfernstraßenprojekte 1,9 Milliarden Euro teurer geworden seien, statt Kosten zu sparen. „Der Bundesrechnungshof ist der Auffassung, dass die bisherigen ÖPP-Projekte unwirtschaftlich sind.“ Das Ministerium sagte daraufhin, der BRH irre. Deswegen musste der neue Report erstellt werden.
In seinem Anschreiben behauptet Norbert Barthle, parlamentarischer Staatssekretär im BMVI, „frühere Dissense mit dem BRH konnten bis auf zwei Punkte ausgeräumt werden“. Tatsächlich strotzt der Bericht vor Fragen, in denen beide Seiten uneinig sind.
Bei Infrastrukturprojekten, die Milliarden Euro teuer sind und Vertragslaufzeiten von 20 bis 30 Jahren umfassen, bedeuteten etwa um wenige Prozentpunkte billigere Zinsen uneinholbare Kostenvorteile. Und der Vorsprung des Staates bei der Kreditbeschaffung ist von Privaten kaum einholbar. Schließlich kann er sich – zumal mit einer Bonität wie Deutschland – viel günstiger Geld leihen.
Und nicht nur das: „Nach Jahren fehlgelaufener ÖPP-Projekte ist nicht einmal geklärt, wie der Staat sicherstellt, dass er seine Straßen von den privaten Betreibern in ordnungsgemäßem Zustand zurückbekommt“, kritisiert Carl Waßmuth von der NGO Gemeingut in Bürgerinnenhand. Umso erstaunlicher sei es, „dass es derzeit kein hinreichend gesichertes Verfahren gibt, um den Restwert einer Straße am Ende der Vertragslaufzeit zu bestimmen“.
Kosten über Jahre gestückelt
Er hat im Bericht acht Dissense der Parteien identifiziert und der taz erläutert. So heißt es: „Das BMVI bestreitet weiterhin die seitens des BRH benannten Mehrkosten in Höhe von 1,4 Milliarden.“ Dass ÖPP-Projekte trotz des Risikos steigender Zinsen wirtschaftlicher sein könnten, wie das Ministerium meint, bezweifelt der BRH.
Und während das Ministerium nicht an die Fähigkeiten der staatlichen Mitarbeiter glaubt, die Infrastrukturprojekte allein umzusetzen, schreibt der BRH, „dass mit einer angemessenen Personalausstattung der Straßenbauverwaltung, in der konventionellen Umsetzung Terminsicherheit und Verfügbarkeit ebenso gut und zuverlässig zu gewährleisten sein müssten“. Offenbar lasse das Prinzip von ÖPP – die Kosten werden über Jahre gestückelt und tauchen nicht direkt im Haushalt als Schulden auf – einen „Anreiz entstehen, Projekte auch dann im Wege von ÖPP zu realisieren, wenn eine konventionelle Realisierung wirtschaftlicher wäre“.
Kritiker Waßmuth hat die Gewinne der Konzerne kalkuliert: Würden die laufenden Projekte weiterhin jeweils rund 280 Millionen Euro teurer als bisher, beliefe sich die Rechnung für die SteuerzahlerInnen auf 6,7 Milliarden Euro. „Seit zehn Jahren sagen die Rechnungshöfe: Ihr rechnet falsch, das wird teurer. Und nun gibt das Ministerium zu: Viele der Kosten kennen wir selbst nicht“, sagt er. Doch statt mit ÖPP aufzuhören, habe das Ministerium noch mehrere ÖPP-Gutachten in Auftrag gegeben. Vielleicht führen diese ja zum gewünschten Ergebnis.
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