Öffentlich-Rechtliche in der Schweiz: Kuscheln mit rechts

Das öffentlich-rechtliche Schweizer Fernsehen SRF bietet Rechts­po­pu­lis­t:in­nen und ihren Ansichten eine große Plattform. Warum?

Thomas Matter, ein Mann mit kurzen Haaren und geheimratsecken spricht in ein Mikrofon von "Blick TV". Er trägt ein helles Hemd und ein dunkles Jacket.

Unterschriftensammler gegen öffentlich-rechtlichen Rundfunk: SVP-Parlamentarier Thomas Matter Foto: Manuel Geisser/imago

Kurz vor den Sommerferien hat sich das Schweizer Fernsehen (SRF) noch einmal einen wahren Universalexperten ins Programm geholt. Reiner Eichenberger, Professor für Theorie der Finanz- und Wirtschaftspolitik an der Uni Fribourg, durfte im „Eco Talk“ fordern, Zu­wan­de­r:in­nen müssten 5.000 Franken (5.106 Euro) jährlich bezahlen, damit sie in der Schweiz bleiben dürften. Eichenberger hat auch schon behauptet, Autofahren sei umweltfreundlicher als Fahrradfahren, weil Fahrradfah­re­r:in­nen mehr Kalorien verbrauchen würden und über die dafür nötige Ernährung auch mehr CO2 generierten. Und er fand, die Klimaerhitzung sei doch alles in allem recht angenehm: „Nur wenige wünschen, dass es wieder 2,1 Grad kälter wird.“ Der Professor ist ein Provokateur. Und gerade deshalb Stammgast im öffentlich-rechtlichen Schweizer Fernsehen.

Reiner Eichenberger passt ins Bild, das das SRF vor allem in seinen wichtigen Gesprächsformaten derzeit abgibt. Dort ist die rechtspopulistische Schweizerische Volkspartei (SVP), die größte Partei des Landes, mit ihren Themen, ihren Narrativen und ihrem Personal dauerpräsent. Als vor der griechischen Insel Pylos kürzlich ein Schiff mit 500 Geflüchteten sank, verhandelte die wichtigste Politsendung des SRF, dir „Arena“, nicht etwa diese Tode, sondern ob es in der Schweiz ein „Asylchaos mit Ansage“ gebe.

In der Diskussionssendung „Club“, wo eigentlich gesellschaftliche Fragen in der gebotenen Differenziertheit besprochen werden, durften sich unlängst gleich drei Po­li­ti­ke­r:in­nen der SVP über das Klimaschutzgesetz auslassen, das kurz darauf zur Abstimmung stand. Ihnen gegenübergestellt waren drei Stimmen für das Klimaschutzgesetz, die aber alle aus unterschiedlichen Parteien kamen. Bei drei Parteien für das Gesetz und einer dagegen also eine False Balance. Der Sender rechtfertigte sich mit besonders strengen internen Richtlinien bezüglich Ausgewogenheit unmittelbar vor Volksabstimmungen. Doch der Verdacht bleibt: Das Schweizer Fernsehen schmiegt sich an die SVP an.

Politischer Druck

Erklärbar wäre dieser Schmusekurs allemal. Denn der Druck von rechts außen auf Sender und Programm ist seit Langem beträchtlich. SVP-Nationalrat Roger Köppel, der gleichzeitig Chefredakteur und Verleger der Wochenzeitung Die Weltwoche ist, forderte schon vor einigen Jahren mit abstoßender Terminologie „die vollständige Liquidierung der öffentlich-rechtlichen Medienanstalten“.

Mittlerweile ist die Lage in der Schweiz noch ungemütlicher geworden: Ende Juni verkündete der Zürcher SVP-Parlamentarier und Banker Thomas Matter, dass sein Komitee die nötigen 100.000 Unterschriften gesammelt habe, damit die Schweizer Stimmbevölkerung voraussichtlich 2026 über eine deutliche Reduktion der sogenannten Medienabgabe abstimmen kann. Die Rundfunkgebühren, die je­de:r entrichten muss, würden damit von 335 auf 200 Franken jährlich gesenkt (also von etwa 340 auf etwa mehr als 200 Euro). Stützten 2018 noch 70 Prozent der Abstimmenden das SRF bei der ähnlich ausgestalteten, wenn auch radikaleren „No Billag“-Initiative, könnte die Abstimmung dieses Mal deutlich knapper ausgehen.

Auch der derzeitige Medienminister Albert Rösti (SVP) warb bis zu seiner Wahl in die Regierung im Dezember 2022 intensiv für die sogenannte „Halbierungsinitiative“. Support für die Forderung gibt es aus dem Mitte-rechts-Spektrum und von privaten Verleger:innen. Eine brandgefährliche Mischung.

Umgang in den Redaktionen

Zudem wirkt die SVP nach Kräften auf den laufenden Fernsehbetrieb ein. SRF-Journalist:innen erzählen taz und WOZ, wie sie nach kritischen Beiträgen, die den Rechts­po­pu­lis­t:in­nen nicht gefallen, mit mehrseitigen Beschwerden von der SVP und deren Mitgliedern eingedeckt werden. Sie schildern, wie in den Redaktio­nen sofort große Nervosität aufkomme, wenn über politische sensible Themen berichtet werden soll. Sie nennen ein unsichtbares Korsett, in dem sie feststeckten. Die Chefredaktion erklärt dazu auf Anfrage, man sei „Druckversuche aus allen politischen Lagern gewohnt“. Das mag sein. Doch derart hemmungslos scheint nur die SVP zu operieren.

Das Motiv dafür ist schnell gefunden: Vor allem in den konservativen ländlichen Gebieten ist das öffentliche Fernsehen noch immer wichtige Informationsquelle. Wenn auf dem Bildschirm Kli­ma­k­le­be­r:in­nen skandalisiert werden statt die Klimakatastrophe, profitieren die Rechten.

Bisher haben sich die linken Parteien, die progressiven Kräfte, treu hinter dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen und Radio versammelt. Ein bisschen linker Gegendruck, hört man in den Redaktionen, wäre vielleicht gar nicht schlecht.

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