ÖPP in der Infrastruktur: Dobrindt ignoriert Kritik und Fakten
Der Verkehrsminister startet zehn neue ÖPP-Projekte. Die Warnung des Bundesrechnungshofs vor höheren Kosten weist er zurück.
Ungeachtet aller Kritik setzt Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) beim Fernstraßenbau weiter auf Öffentlich-Private Partnerschaften (ÖPP). Zehn neue Projekte mit einem Gesamtvolumen von 14 Milliarden Euro sollen in den nächsten Jahren realisiert werden, sagte er am Dienstag bei einer Tagung in Berlin.
Neben der Erweiterung von acht Autobahnabschnitten sollen erstmals auch zwei Bundesstraßen mit privaten Geldern erneuert werden. Für das erste Projekt auf den Autobahnen 10 und 24 soll bereits in den nächsten Tagen das Vergabeverfahren gestartet werden. Der Baubeginn ist für 2017 geplant.
„Eine Erfolgsgeschichte“
Bei ÖPP-Projekten finanziert ein privater Investor den Ausbau einer Fernstraße. Im Gegenzug erhält er vom Bund neben einer Anschubfinanzierung über einen Zeitraum von 30 Jahren eine Vergütung, die von der Nutzung der Straße abhängt. In Zukunft sollen sich auch institutionelle Anleger wie Versicherungen über Anleihen einbringen können. „Mit ÖPP bauen wir wirtschaftlicher“, sagte Dobrindt. Die bisherigen Projekte seien „eine Erfolgsgeschichte“.
Damit stellt sich der Verkehrsminister gegen den Bundesrechnungshof, der festgestellt hatte, dass alle bisherigen ÖPP-Projekte für den Steuerzahler deutlich teurer waren, als die gleichen Baumaßnahmen mit herkömmlicher Finanzierung gewesen wären. Dies stellte Dobrindt offensiv in Frage. „Ich teile die Einschätzung des Bundesrechnungshofes nicht“, sagte er. Dessen negative Ergebnisse lägen daran, dass er nicht den „gesamten Lebenszyklus“ der Straße betrachte.
Der Bundesrechnungshof wies Dobrindts Kritik auf taz-Anfrage zurück. „Bei Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen zu ÖPP-Projekten werden die Kosten und der Nutzen der ÖPP-Variante den Kosten und Nutzen der konventionellen Variante über die gesamte Vertragslaufzeit gegenübergestellt“, teilte eine Sprecherin mit.
In einem Gutachten hatte der Präsident des Rechnungshofs seinerseits die Berechnungen des Verkehrsministeriums kritisiert. Diese seien in vielen Punkten „methodisch fehlerhaft“ und stellten die ÖPP-Varianten regelmäßig als „zu positiv“ dar.
Als zentrales Argument für die neuen ÖPP-Projekte nannte Dobrindt zudem, dass ohne dieses Instrument gar nicht gebaut werden könnte. „Die Alternative heißt Stau auf unseren Straßen.“ Dies stieß beim privatisierungskritischen Bündnis „Gemeingut in Bürgerhand“ auf Widerspruch. „Stauvermeidung ist in der Tat ein wichtiges Ziel“, sagte Sprecher Carl Waßmuith. „Aber ÖPP als die teuerste Variante von Straßenbau und -betrieb lässt sich damit nicht begründen.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker