Odenwald-Schule: Weg frei für einen Neuanfang
Fünf der sieben Vorstandsmitglieder der Odenwaldschule sind zurückgetreten. Der umstrittene Geschäftsführer Salijevic bleibt noch im Amt, denkt aber auch an Rücktritt.
Nach einer außerordentlichen Sitzung gab die Vorstandsvorsitzende des Trägervereins der südhessischen Odenwaldschule (OSO), Sabine Richter-Ellermann, am späten Samstagnachmittag ihren bereits zuvor angekündigten Rücktritt bekannt.
Mit ihr gingen vier weitere der sieben Vorstandsmitglieder. Zwei, Schulleiterin Margarita Kaufmann und Geschäftsführer Meto Salijevic, bleiben im Amt.
Damit ist nur ein Teil der Forderungen der Altschüler erfüllt, die energisch auch den Rücktritt von Salijevic verlangt hatten. Er sei ebenfalls mitverantwortlich für die Vertuschung der 1999 erstmals öffentlich gewordenen Fälle sexuellen Missbrauchs durch Lehrer an Schülern. Bislang ist bekannt, dass zwischen 1961 und 2001 acht bis zehn Lehrer 33 bis 40 Schüler missbraucht hatten.
Richter-Ellermann erklärte, dass der Vorstand zurückgetreten sei, "weil der öffentliche Druck sehr groß" gewesen sei. Sie wollten "den Weg freimachen", damit "die Schule endlich wieder zur Ruhe kommt". Außerdem sagte sie: "Wir haben vielleicht mitgeschwiegen, weil wir es gar nicht für möglich gehalten haben."
Ein ehemaliger Lehrer, der schon früh auf den Missbrauch aufmerksam gemacht hatte, hielt Richter-Ellermann entgegen, dass "die Mauer des Schweigens grenzenlos gewesen" sei.
Der umstrittene Geschäftsführer Meto Salijevic, der ebenso wie Kaufmann vom Verein angestellt und qua Funktion laut Satzung automatisch Vorstandsmitglied ist, stellte fest, er müsse bis zur ordentlichen Mitgliederversammlung Ende Mai aus formalen Gründen im Amt bleiben, weil der Verein sonst nicht geschäftsfähig sei. Danach stelle er sich zur Disposition. Er sagte: "Das, was wir heute machen, hätten wir schon vor zehn Jahren gemacht haben sollen." Aber es sei "zunächst mal sehr schwer" gewesen, "zu glauben, dass es so viele waren".
An die Öffentlichkeit wandten sich auch der Vorstand des Altschülervereins und das jetzige Schülerparlament. Die Schüler bedankten sich bei den Medien, deren Berichterstattung, "weitgehend sachlich und themenorientiert" gewesen sei und dadurch "den Aufklärungsprozess beschleunigt" habe. Sie stellten sich hinter ihre Schule, die ihnen "ein zweites Zuhause geworden" sei. Die Altschüler griffen den ehemaligen Vorstand an, der nur bemüht gewesen sei, "die Taten als Einzelfälle herunterzuspielen" und "jedes Öffentlichmachen zu verhindern".
Am Rande wurde bekannt, dass der Vorstand, statt Kaufmann zu unterstützen, stattdessen vor kurzem darüber gestritten haben soll, ob ein Text, der sich mit dem Missbrauch auseinandersetzte, in der Festschrift zur 100-Jahr-Feier im Sommer 2010 erscheinen dürfe.
Margarita Kaufmann kommentierte den Rücktritt erleichtert: "Ich bin froh, dass es vorbei ist." Der Vorstand habe ihr in der Krisensitzung zum Abschied grünes Licht für "einen ganzen Katalog" von Maßnahmen gegeben. An erster Stelle stehe die "vollständige und transparente Aufarbeitung" der Missbrauchsfälle zusammen mit externen Juristinnen und der Organisation "Wildwasser".
Außerdem solle, so Kaufmann, das "Familiensystem", das "ein wesentliches Element" des Konzepts der Odenwaldschule ist, in seinen Strukturen überprüft werden. In den vergangenen Wochen waren schon das "Vier-Augen-Prinzip", also die Doppelbesetzung der Lehrkräfte, die als sogenannte Familienväter und -mütter mit kleinen Schülergruppen zusammenwohnen, und die Trennung von Schul- und Heimleitung beschlossen worden. Gemeinsame Duschen mit den Lehrern und Zimmer ohne Schlüssel für die Schüler gebe es schon seit vielen Jahren nicht mehr. Außerdem sollen alle Schüler angeschrieben werden, die das Internat bis heute besucht haben.
Ziel sei, so Kaufmann, die Schule "wieder auf gesunde Füße zu stellen". Sie räumte ein, dass die Zusammenarbeit mit dem scheidenden Vorstand in den vergangenen Monaten wegen "einiger verschiedener Positionen manchmal schwierig" gewesen sei. Aber es sei "sehr mutig vom Vorstand, den Weg frei zu machen, auch wenn es schmerzhaft war". Jetzt könne der "Change-Prozess" beginnen: "Die Schule muss sich ändern."
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