Oberlehrer & Unterrichter: Sozialhilfe statt Strandurlaub

In Schleswig-Holstein und Hamburg sind in den Ferien viele Lehrer arbeitslos, weil ihre befristeten Verträge auslaufen

Wer in den Ferien kein Geld kriegt, sehnt sich so richtig nach dem Unterricht Foto: Frank Rumpenhorst (dpa)

KIEL / HAMBURG taz | Die einen fahren in den Urlaub, die anderen pilgern zum Arbeitsamt: Befristete Verträge von Lehrkräften enden oft zu Beginn der Schulferien. Bundesweit waren im vergangenen Sommer 7.000 PädagogInnen in den Ferien arbeitslos, heißt es in einer Statistik der Bundesagentur für Arbeit – Tendenz seit Jahren steigend. Anfragen der Opposition in Hamburg und Schleswig-Holstein zeigten auch für die laufende Ferienzeit zahlreiche auslaufende Verträge.

Dabei betonen die Regierungsstellen – das Bildungsministerium in Kiel und die Schulbehörde in der Hansestadt –, dass grundsätzlich unbefristete Verträge geschlossen werden.

„Unsozial und verantwortungslos“ nennt Sabine Boedding­haus, schulpolitische Sprecherin der Linken im Hamburger Senat, die Einstellungspolitik der Stadt. Anita Klahn, FDP-Abgeordnete im Kieler Landtag, kritisiert die schleswig-holsteinische Bildungsministerin Britta Ernst (SPD) – die habe versprochen, das „Hire and Fire“ abzuschaffen, tue aber das Gegenteil. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) sieht ein anderes Problem hinter der steigenden Zahl von Kettenverträgen: „ Der Lehrkräftemangel hat den Norden erreicht“, sagt der schleswig-holsteinische Landesgeschäftsführer Bernd Schauer.

Wie Fieberkurven sehen die Statistiken der Arbeitsagentur für Lehrkräfte aus: Jeder Zacken nach oben geht mit Schulferien einher. In Baden-Württemberg und Hessen fallen die Unterschiede besonders deutlich aus, in den ostdeutschen Flächenländern dagegen vergleichsweise gering. In Hamburg sei das „Phänomen eindeutig erkennbar“, heißt es in der Statistik der Bundesagentur, die Anfang des Jahres veröffentlich wurde.

Gute Noten erhielten die Nord-Länder zu Jahresanfang von der Bundesagentur für Arbeit: In Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Bremen meldeten sich vergleichsweise wenig Lehrkräfte zu Ferienbeginn arbeitslos.

Die Statistik umfasste Werte von 2012 bis 2015. Die richtig zu lesen, ist aber schwierig: Die Statistik der Arbeitsagentur nennt Steigerungsraten von vielen Hundert Prozent.

Der Grund ist, dass in vielen Gebieten die Arbeitslosigkeit unter Lehrkräften nahe null liegt. Einige wenige Arbeitslosmeldungen reichen also für hohe Prozentzahlen.

In Bremen etwa entsprechen 30 Personen einem Zuwachs von 200 Prozent.

Jung-Lehrkräfte, die weniger als ein Jahr im Schuldienst waren, haben nur Anspruch auf Arbeitslosengeld II, also „Hartz IV“.

Schleswig-Holstein stand dagegen unter den westlichen Flächenländern auf einem guten Platz, hier gab es 2015 im Vergleich zum Vorjahr sogar weniger Ferien-Entlassungen. 2016 hat sich das wieder gedreht: 1.951 Verträge endeten mit Ferienbeginn, heißt es in der Antwort der Landesregierung. Für Hamburg nannte die Schulbehörde die Zahl 1.362. Die „sommerliche Existenzbedrohung“ sei damit um über 40 Prozent gestiegen, kritisiert Boeddinghaus.

Die Schulbehörde kontert: Da im Sommer keine Arbeit geleistet werde, sei eine Verlängerung der Zeitverträge über die Ferien ein bezahlter Zusatzurlaub – ein falsches Argument, finden die Kritiker. Denn jenseits der individuellen Unsicherheit für die Lehrkräfte, ob sie nach den Ferien erneut angestellt werden, geht es um eingesparte Gehälter und Sozialabgaben. Die trägt die Arbeitsagentur – also die Allgemeinheit –, wenn sich Lehrkräfte im Sommer arbeitslos melden, erklärt Ansgar Klinger vom GEW-Hauptvorstand. Nach Protesten und Landtagsdebatten hatte sich die Kieler Landesregierung das Ziel gesetzt, die Befristungen zu reduzieren.

Tatsächlich ist ihre Zahl gestiegen. Aktuell arbeiten 2.300 Lehrkräfte in Schleswig-Holstein und rund 5.000 in Hamburg mit Zeitverträgen. Die Schulbehörde verweist auf den erhöhten Bedarf für Flüchtlingskinder und zahlreiche Fälle von Mutterschutz und Elternzeit, für die Vertretungen nötig sind. Bernd Schauer nennt einen weiteren Grund: „Es fällt immer schwerer, Lehrkräfte mit dem zweiten Staatsexamen zu finden“, sagt Schauer. Doch das ist Voraussetzung für einen Dauerjob.

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