Oberbürgermeisterwahlen in Hessen: SPD und Grüne triumphieren

Bei der Bürgermeisterwahl in Frankfurt gewinnt SPD-Mann Josef, in Kassel der Grüne Schoeller. Der CDU bleiben schmerzliche Niederlagen.

Man reckt seien Daumen nach oben

Gewinner: Mike Josef (SPD) am Sonntagabend im Frankfurter Römer Foto: Boris Roessler/dpa

FRANKFURT/MAIN taz | Mike Josef ist der neue Oberbürgermeister von Frankfurt am Main. Der 40-jährige Sozialdemokrat setzte sich in der Stichwahl am Sonntag mit 51,7 Prozent der Stimmen gegen den CDU-Bewerber Uwe Becker durch. Josef wird Nachfolger des abgewählten SPD-OB Peter Feldmann, der wegen Korruptionsvorwürfen im November abgewählt worden war und mit der SPD gebrochen hat.

Im ersten Wahlgang Anfang März hatte noch der ehemalige Kämmerer und Europastaatssekretär Becker mit 10 Prozentpunkten Vorsprung vorne gelegen. Im Finale erreichte der CDU-Favorit dann nur enttäuschende 48,3 Prozent.

Auch bei der Oberbürgermeisterwahl in Kassel ging die CDU leer aus. Kassel wird erstmals von einem grünen Oberbürgermeister regiert. Bei der Stichwahl am Sonntag stand nur noch ein Name auf dem Stimmzettel. Der grüne Kandidat Sven Schoeller erreichte mit 51,2 Prozent allerdings nur knapp das nötige Quorum – 48,2 Prozent stimmten gegen ihn. Der bisherige Oberbürgermeister, der Ex-Sozialdemokrat Christian Geselle, war nach einem Streit mit seiner Partei als unabhängiger Bewerber angetreten und hatte den ersten Wahlgang zwar gewonnen – seine Bewerbung aber wegen einer „Diffamierungskampagne“ gegen ihn zurückgezogen.

In Frankfurt kennt der Jubel der vielen UnterstützerInnen von Wahlsieger Josef keine Grenzen, als dieser kurz vor 20 Uhr, von Kamerateams und Fotografen belagert, die lange Marmortreppe auf dem Weg zur „OB-Ebene“ im Frankfurter Römer emporeilt. Sie skandieren „Mike“, Mike“. Mit Mühe bahnt sich der künftige Oberbürgermeister den Weg in das improvisierte Fernsehstudio, das der hessische Rundfunk vor den Dienstzimmern des Oberbürgermeisters aufgebaut hat.

Als Student gemeinsam mit Wissler gegen Studiengebühren

Josefs erste Worte gelten dem Wahlverlierer. Er dankt Becker für einen fairen Wahlkampf. „Ich will Oberbürgermeister aller Frankfurter sein“, versichert er denen, die ihn nicht gewählt haben. Mit Demut freue er sich über den Erfolg, gibt der jüngste Frankfurter Oberbürgermeister aller Zeiten zu Protokoll. Später wird er bei der SPD-Wahlparty in einer Bar am Willy-Brandt-Platz an seine eigene Migrationsgeschichte erinnern. „Ich habe mit meiner Mutter telefoniert, sie hat gemeint: ‚Weißt du noch, wie wir 1980 zusammen nach Deutschland gekommen sind?‘ Danke, dass ich heute Oberbürgermeister von Frankfurt sein darf!“, ruft er mit bewegter Stimme in den Jubel.

Die Frankfurter Rundschau hat dem künftigen Oberbürgermeister bereits vor diesem Wahlsieg einen „furiosen Aufstieg“ bescheinigt. Mit vier Jahren kommt er als Sohn aramäischer Christen als Flüchtlingskind nach Deutschland. In einer bescheidenen Wohnsiedlung wächst er in Ulm auf, absolviert die Realschule.

Als Studentenvertreter an der Frankfurter Goethe-Universität betritt er später erstmals die politische Bühne. Zusammen mit der heutigen Linken-Vorsitzenden Janine Wissler startet er eine spektakuläre Kampagne des Asta gegen die Studiengebühren, die die CDU geführte Landesregierung eingeführt hat. Bei der Landtagswahl 2008 verliert die Regierung ihre Mehrheit. Die Studiengebühren werden von der neuen Mehrheit abgeschafft. Ein erster Erfolg.

Nach seinem Politikdiplom wird er Gewerkschaftssekretär, als 30-Jähriger übernimmt er den Vorsitz der Frankfurter SPD, der es damals nicht gut geht. An der Seite seines Genossen Peter Feldmann feiert er mit ihm überraschende Erfolge. Feldmann wird 2012 Oberbürgermeister und 2018 mit einem Rekordergebnis im Amt bestätigt. Doch mit der Awo-Affäre scheint mit Feldmanns Sturz auch Josefs Aufstieg am Ende, dachten viele damals.

Schwache Performance der Frankfurter Grünen

In wenigen Wochen wird Josef nun doch in das Büro einziehen, das Feldmann nach der Abwahl im November hatte räumen müssen. Damals konnten sich wenige vorstellen, dass Josef seine Nachfolge antreten würde. Den zweiten Wahlgang erreichte er tatsächlich nur mit hauchdünnem Vorsprung vor der Grünen Ex-Staatssekretärin Manuela Rottmann. Sie hatte sogar ihr Regierungsamt in Berlin für ihre Kandidatur in Frankfurt aufgegeben.

Seinen Wahlsieg verdankt Josef auch der schwachen Performance der Frankfurter Grünen, die im Stadtparlament eigentlich die stärkste Fraktion stellen. Bei der Suche nach einer geeigneten OB-Kandidatin gab es öffentlichen Streit. Mit der Intgrationsdezernentin und Bürgermeisterin Nargess Eskandari-Grünberg und der Stadtverordnetenvorsteherin Hilim Arslaner hatten gleich zwei prominente Frauen aus dem Frankfurter Kreisverband Interesse angemeldet. Doch die „Findungskommission“ entschied sich für Rottmann, die vor gut einem Jahrzehnt einmal als Frankfurter Umweltdezernentin gewirkt hatte. Nach dem für sie überraschenden Aus im ersten Wahlgang brauchte der Grünen-Vorstand fast zwei Wochen, bis er eine laue Empfehlung für den Sozialdemokraten Josef abgab.

Im Frankfurter Römer bleiben die Grünen an diesem Abend weitgehend unsichtbar. Als der CDU-Bewerber Becker mit seiner Entourage im Foyer erscheint und sein Scheitern einräumt, drängt sich die verhinderte Grünen-Kandidatin Eskandari-Grünberg ins Bild. Sie begrüßt Becker und seine Frau mit Umarmungen und Wangenküssen, Beckers Frau bekommt einen Blumenstrauß. Die Szene wirkt, als bedaure sie Beckers Niederlage. Am späten Abend überreicht sie schließlich auch dem Wahlsieger Josef einen Blumenstrauß und lobt ihn wegen der guten Zusammenarbeit im Magistrat.

Als eher seltener Gast ist auch die SPD-Landesvorsitzende, Bundesinnenministerin Nancy Faeser, im Frankfurter Römer. Den SPD-Erfolg in Frankfurt feiert sie gerne mit. Er gibt ihr Rückenwind für die Landtagswahl, bei der sie als Ministerpräsidentenkandidatin antritt. Josefs Wahl sei ein gutes Zeichen für die Weltoffenheit und Toleranz Frankfurts, sagt sie.

Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) hat da die Bühne im Römer bereits geräumt. Er hatte seinem Parteifreund Becker ein respektables Ergebnis bescheinigt. „Wir hätten gerne den Oberbürgermeister gestellt“, hatte Rhein eingeräumt, der vor elf Jahren in Frankfurt ebenfalls eine OB-Stichwahl verloren hatte, gegen den damaligen Überraschungssieger Feldmann.

Rheins grüner Koalitionspartner und Konkurrent Tarek Al-Wazir feiert derweil in Kassel mit Sven Schoeller, dem ersten grünen Oberbürgermeister der Stadt. „Der Erfolg stärkt uns auch beim Dreikampf um die Staatskanzlei, denn wir wollen, dass es im Oktober mit einem grünen Ministerpräsidenten eine weitere Premiere gibt“, erklärt der Grünen-Landesverband. Kein Wort zur Wahl in Frankfurt.

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