Oberbürgermeisterwahl in Potsdam: Wo Sozis noch siegen können
Brandenburgs Landeshauptstadt wird weiterhin von einem SPD-Oberbürgermeister regiert. Offenbar kann die Partei auch etwas richtig machen.
Angesichts der Landtagswahl in Bayern klingt es seltsam: Die SPD kann noch Wahlen gewinnen. Das tat sie nämlich in Potsdam. Dort wird der neue Oberbürgermeister genau wie seine drei Vorgänger seit der Wiedervereinigung ein sozialdemokratisches Parteibuch besitzen. In der Stichwahl setzte sich am Sonntag SPD-Kandidat Mike Schubert gegen die parteilose Kandidatin Martina Trauth durch, die für die Linke ins Rennen gegangen war. 55,3 Prozent der Stimmen entfielen auf den 45-jährigen bisherigen Sozial- und Ordnungsdezernenten.
Allerdings war die Wahlbeteiligung mau. Nur 37,8 Prozent der Wahlberechtigten gaben ihre Stimme ab. Das Wetter taugte an einem sonnigen Herbsttag nicht als Erklärung. In den Straßen waren viele Menschen unterwegs, sie gingen nur nicht in die Wahllokale, sondern lieber in die Eisdiele. Vielleicht hatten die beiden Kandidaten in der Stichwahl nicht stark genug polarisiert, um viele Wähler zu mobilisieren. Schubert selbst vermutete, dass viele das Rennen für gelaufen hielten, nachdem er Trauth in der ersten Wahlrunde drei Wochen zuvor klar distanziert hatte. So wurde es dann bei der Auszählung am Abend doch noch spannend.
Sowohl Ministerpräsident Dietmar Woidke als auch dessen Vorgänger Matthias Platzeck waren ins Potsdamer Rathaus gekommen. Schließlich hat die Brandenburger SPD zuletzt wenig Anlass zur Freude gehabt: In der jüngsten Umfrage rangiert die einstmals unangefochtene Regierungspartei bei 23 Prozent gleichauf mit der AfD.
CDU und Linke folgten mit 19 beziehungsweise 17 Prozent. Im Frühjahr gingen der SPD gleich mehrere Landratswahlen verloren, in Frankfurt/Oder erreichte sie bei der OB-Wahl nur blamable fünf Prozent – dort regiert jetzt ein linker Oberbürgermeister. Der Verlust des Potsdamer Rathauses wäre für die Sozialdemokraten elf Monate vor der nächsten Landtagswahl ein Tiefschlag gewesen.
Ob die SPD landesweit hoffen darf, ist fraglich
Woidke wertete den Wahlausgang dann auch als „wichtiges Signal“ für die Kommunal- und Landtagswahlen 2019. Alt-Ministerpräsident Matthias Platzeck, von 1998 bis 2002 selbst Oberbürgermeister in Potsdam, sagte: „Schubert hat ohne Rückenwind aus Land und Bund dieses Ergebnis erreicht: Es ist sein Ergebnis.“ Tatsächlich hatten sich Landespolitiker im Wahlkampf rar gemacht. Auf den Rathausfluren wurde am Sonntag geunkt, dass das vielleicht ganz gut für Schubert gewesen sei.
Ob die SPD nun gleich landesweit auf eine Trendwende hoffen kann, ist dennoch fraglich. Denn Potsdam ist nicht Brandenburg. Anders als in der Fläche boomt es in Potsdam seit Jahren. Statt mit Abwanderung und Perspektivlosigkeit hat die Stadt damit zu kämpfen, enormen Zuzug zu bewältigen, Wohnungen, Schulen und den Nahverkehr auszubauen – für viele Regionen in der Peripherie sind das Luxusprobleme. In Potsdam hat die SPD den Spagat geschafft. Einerseits konnte Amtsinhaber Jann Jakobs mit einem Milliardär wie SAP-Gründer Hasso Plattner so gut, dass der einen dreistelligen Millionenbetrag für Investitionen in die Uni, ein Kunstmuseum von Weltrang und die barocken Fassaden der Innenstadt steckt. Andererseits hat die Stadt bundesweit eine der höchsten Betreuungsquoten in den Kitas und einen günstigen öffentlichen Nahverkehr.
Auch die AfD findet anders als im Rest Brandenburgs in Potsdam weniger Anklang. Ihr Kandidat landete in der ersten Wahlrunde mit 11,1 Prozent auf dem fünften Platz. Schubert setzte im Wahlkampf ebenso wie Trauth auf soziale Themen. Offenbar interessiert das die Wähler.
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