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Oberbürgermeisterwahl in DanzigÜberwältigender Sieg

Die Juristin Aleksandra Dulkiewicz wird Nachfolgerin des im Januar erstochenen Paweł Adamowicz. Auch sie erhielt bereits Morddrohungen.

Danzigs neue Oberbürgermeisterin: Aleksandra Dulkiewicz Foto: Imago/Michal Fludra

Warschau taz | Der Sieg ist überwältigend: Aleksandra Dulkiewicz hat bei den vorgezogenen Oberbürgermeisterwahlen der polnischen Ostseemetropole Danzig über 80 Prozent der Wählerstimmen gewonnen. Zwei eher exotische Rechtsaußen-Gegenkandidaten landeten weit abgeschlagen. Die 39-jährige Juristin tritt damit die Nachfolge des Mitte Januar ermordeten Paweł Adamowicz an. Sie ist nun eine von zwölf Oberbürgermeisterinnen, die Polens 107 Großstädte regieren.

Trotz der Freude über das gute Ergebnis kam im Wahlkomitee von Dulkiewicz kein überschäumender Jubel auf. Zu frisch noch sind immer noch Schock und Trauer über den auf einer Benefizveranstaltung erstochenen Adamowicz.

Seine letzten Worte sind auch für Dulkiewicz wegweisend: „Danzig ist großzügig und verbindet sich mit dem Guten. Danzig will eine Stadt der Solidarität sein. Ich danke euch sehr dafür, dass ihr euer Geld in die Sammelbüchsen geworfen habt. Es ist eine wunderbare Sache, sich an die Seite des Guten zu stellen. Ihr seid wunderbar. Danzig ist die wunderbarste Stadt der Welt. Danke!“

Die 39-jährige Juristin, die bisher als Adamowiczʼ Stellvertreterin die Ressorts Investitionen und später Soziales leitete, wird es nicht leicht haben. Zwar stellten weder die nationalpopulistische Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) noch die liberalkonservative Oppositionspartei Bürgerplattform (PO) Gegenkandidaten auf, doch ob die lokale Wählervereinigung „Alles für Danzig“ sich auf Dauer gegen die beiden Großparteien wird durchsetzen können, ist offen.

Unter Polizeischutz

Wie schwierig es werden kann, spürte Dulkieiwcz schon während des Wahlkampfes: sie bekam Morddrohungen – so wie zuvor auch Adamowicz – und musste Polizeischutz in Anspruch nehmen. Zudem griff der PiS-Kulturminister Piotr Gliński das Europäische Solidarność-Zentrum (ECS) in Danzig an und strich ihm direkt nach der verlorenen Kommunalwahl in Danzig drei von sieben Millionen Zloty Zuschuss. Das war genau der Betrag für das ECS-Programm, mit dem Polens Integration in die EU und Polens Zivilgesellschaft gefördert werden sollen.

Am Ende kam das Geld durch eine Spendenaktion auf Facebook zusammen. Eine junge Schneiderin hatte sie gestartet. Innerhalb von 24 Stunden zahlten Danziger und viele Polen aus aller Welt über drei Millionen Zloty ein, so dass das ECS wieder normal arbeiten kann – zumindest bis zum Jahresende. Diese Aktion wie auch das hervorragende Wahlergebnis zeigen Dulkiewicz, dass sie auf die Solidarität der Danziger bauen kann.

Dies wird wichtig, wenn die PiS in den nächsten Monaten erneut versuchen sollte, die Geschichte umzuschreiben. 2019 stehen zwei große Gedenktage an, bei denen Danzig eine Schlüsselrolle spielen wird: Am 4. Juni 1989 fanden in Polen und im gesamten damaligen Ostblock die ersten halbfreien und -demokratischen Wahlen statt. Monate später fiel in Berlin die Mauer. Das ECS in Danzig wird die Gedenkfeiern im ganzen Land koordinieren.

„Tag auch der Gefallenen“

Am 1. September soll an den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs erinnert werden. Bislang war die Stadt Danzig als Initiatorin der jährlichen Gedenkfeiern auch Gastgeberin. Doch seit zwei Jahren versucht die PiS-Regierung den Danzigern das Heft des Handelns aus der Hand zu nehmen und an diesem Tag auch der „Gefallenen“ der Flugzeugkatastrophe von Smolensk zu gedenken.

Im April 2010 war das polnische Präsidentenflugzeug bei dichtem Nebel über Smolensk abgestürzt. Die unter PiS-Anhängern populäre These, dass es sich um einen russischen Anschlag auf den damaligen Präsidenten Lech Kaczyński (PiS) gehandelt habe, konnte nicht bewiesen werden.

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