Obdachlose ziehen in besetztes Haus: Willkommen zuhause!
In das Haus in der Berliner Habersaathstraße sind die ersten Bewohner*innen eingezogen. Am Montag gab es eine kleine Willkommensfeier.
Gekommen sind Aktivist*innen der Initiative „Leerstand hab-ich-saath“, Bewohner*innen des Hauses und andere Unterstützer*innen. Die Stimmung ist friedlich, so dass die Polizist*innen auf der anderen Straßenseite ihr Auto erst gar nicht verlassen.
Es gibt aber ja auch schließlich etwas zu feiern: Eine erfolgreiche Hausbesetzung! Um die 20 Menschen sind bereits eingezogen und um die 50 sollen es insgesamt werden, erzählt Valentina Hauser, eine der Aktivist*innen. In die teilweise noch möblierten Wohnungen ziehen Menschen ein, die obdachlos sind, und vor allem jene, die aktiv an der Hausbesetzung und den Protesten beteiligt waren.
„Neue Chance“
Einer von ihnen ist Sven. Zuvor hat er mit mehreren Menschen auf engem Raum in einer Massenunterkunft gewohnt. Infektionsschutz und Privatsphäre waren da Fehlanzeige, sagt Sven. „Der Einzug in die Habersaathstraße ist eine enorme Verbesserung. Endlich kann ich mal die Tür hinter mir zu machen und meine Ruhe haben“, erzählt er.
Einen Teil zum Erfolg der Hausbesetzung soll der Sozialträger „Neue Chance“ beitragen. Die Organisation unterstützt und begleitet die neuen Bewohner*innen in der Habersaathstraße. Zunächst habe der Träger mit dem Bezirk einen Vertrag für ein halbes Jahr geschlossen, erklärt Ingo Bullermann, der Geschäftsführer der Neuen Chance.
Unten im Haus haben sie dafür extra ein neues Büro eingerichtet. Dort können die Bewohner*innen Hilfe von Sozialarbeiter*innen bekommen. Die Organisation möchte ihnen dabei helfen eine Zukunftsperspektive zu schaffen – auch für die Zeit nach der Habersaathstraße. „Das Ganze ist wahrscheinlich ein endliches Vergnügen“, sagt Bullermann und verdeutlicht damit die noch unsichere Perspektive des ganzen Projekts.
„Beschlagnahmt“
Denn auch wenn die Stimmung bei der kleinen Einzugsfeier ausgelassen ist, so richtig trauen kann man dem Ganzen noch nicht. Der ursprüngliche Plan des Eigentümers war, das Haus abreißen zu lassen und Luxuswohnungen an der Stelle zu errichten. Der Bezirk hat allerdings eine Rekommunalisierung des Gebäudes geplant. Darauf bezieht sich auch ein Transparent an dem Haus mit der Aufschrift: „Beschlagnahmt“. Die rechtlich legitime Besetzung basiert auf dem Polizeigesetz ASOG, das ermöglicht, spekulativen Leerstand für die Unterbringung Obdachloser zu beschlagnahmen.
Und der legale Einzug wohnungsloser Menschen in die Habersaathstraße ist definitiv ein starkes Zeichen gegen spekulativen Leerstand. Die Frage bleibt eben nur, wie lange sie dort wohnen bleiben können.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Anschlag in Magdeburg
Auto rast in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen