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Obamas Besuch in GriechenlandEin Lob für Perikles

Mit einem Plädoyer für Demokratie verabschiedet sich US-Präsident Obama. Viele Griechen hoffen, dass er nicht ganz aus der Politik verschwindet.

Ob Trump wohl auch mal nach Athen kommt? Foto: afp

Athen taz | Die Kulisse war doch nicht so traumhaft schön wie erhofft: Aus Sicherheitsgründen musste die Grundsatzrede des scheidenden US-Präsidenten Barack Obama in das neu errichtete (und privat finanzierte) Opernhaus Athens verlegt werden.

Ursprünglich war als Auftrittsort der Hügel von Pnyx mit seinem wundervollen Blick auf die Akropolis vorgesehen, auf dem im 5. Jahrhundert v. Chr. die Versammlung der freien Bürger der Stadt abgehalten wurde.

Perikles, ein führender Staatsmann seiner Zeit, hatte dort während des Peloponnesischen Krieges seine historische „Gefallenenrede“ gehalten – ein leidenschaftliches Lob auf die antike Polis und die Demokratie als Staatsform, auch wenn sie im alten Griechenland den Frauen und erst recht den Sklaven nicht gegönnt wurde. „Die frühen Formen der Demokratie in Athen waren weit davon entfernt, perfekt zu sein, genauso wie die frühesten Formen der amerikanischen Demokratie nicht perfekt waren“, erklärte dazu der scheidende US-Präsident in seiner Athener Rede.

Aber: „Die Flamme der Demokratie startete hier in Athen und ist seitdem nie erloschen.“ Schließlich zeige die Geschichte, dass Staaten mit demokratisch legitimierten Regierungen nicht nur gerechter seien – sondern auch stabiler.

Interesse an klassischen Studien

Die Griechen finden an Obama auch deshalb großes Gefallen, weil er, anders als die meisten Politiker Westeuropas, ein starkes Interesse an klassischen Studien mitbringt. „Ein afroamerikanischer Perikles in Athen“, titelte am Mittwoch die auflagenstärkste Athener Zeitung, Ta Nea, voller Begeisterung. Eine Privatführung auf der Akropolis war wohl das Mindeste, was Obama sich verdient und auch bekommen hat. Ansonsten bliebe seine Begeisterung für die antike Athener Demokratie vielleicht eine Fußnote der Weltgeschichte – wäre da nicht der furchteinflößende Nachfolger Donald Trump.

Obamas Rede klang immer wieder wie eine Mahnung an den neuen US-Präsidenten. Dabei fand der scheidende Amtsinhaber klare Worte: „Der nächste US-Präsident und ich könnten unterschiedlicher nicht sein“, gab Obama zu bedenken. Und er fügte hinzu: „Die amerikanische Demokratie ist größer als alle Einzelpersonen“ und „die Regentschaft des Volkes ist unersetzbar“.

Am Mittwochnachmittag erschien Linkspremier Alexis Tsipras höchstpersönlich am Flughafen, um den hohen Gast zu verabschieden. Damit blieb Obama die Wiederholung der kleinen Peinlichkeit bei seiner Ankunft am Dienstag erspart: Zur Begrüßung am Flughafen war der rechtspopulistische Verteidigungsminister Panos Kammenos erschienen, mit seiner typisch hellroten Republikaner-Krawatte. Kammenos war der allererste griechische Politiker, der Trump via Twitter zum Wahlsieg gratulierte.

Demonstration gegen die US-Außenpolitik

Griechische Kommentatoren hoffen nun, dass Obama auch nach dem unerwünschten Wechsel im Weißen Haus doch nicht von der Öffentlichkeit verschwindet. „Gerade vor dem Hintergrund einer Trump-Präsidentschaft wird Obama zur Ankerperson und Referenz aller liberalen Amerikaner“, glaubt Alexis Papachelas, der als einziger griechischer Journalist ein Interview mit dem scheidenden US-Präsidenten für die Zeitung Kathimerini führen durfte.

Doch nicht alle Griechen freute der Abschiedsbesuch Obamas: Trotz strikten Versammlungsverbots in großen Teilen der Athener Innenstadt gingen am Dienstagabend über achttausend Menschen auf die Straßen, um lautstark gegen die US-Außenpolitik zu demonstrieren. Die kommunistische Gewerkschaft Pame hatte zu einer weiteren Protestaktion aufgerufen. In der Nacht zu Mittwoch kam es dann zu schweren Auseinandersetzungen mit der Polizei, die Tränengas einsetzte und mindestens sechs Personen verhaften ließ.

Mittlerweile haben sich die Demonstranten in der polytechnischen Fakultät verschanzt. In Athen befürchtet man weitere Auseinandersetzungen in den nächsten Tagen, zumal Griechenland am 17. November den sogenannten Aufstand des Polytechnikums feiert. Es handelt sich um den legendären Studentenaufstand vom November 1973, der zum Zusammenbruch der Militärdiktatur (1967–1974) führte.

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2 Kommentare

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  • Letztendlich steht auch Obama für die Kontinuität der selben neoliberalen Politik, die Griechenland überhaupt erst an den Rand des Abgrunds gebracht hat.

  • Historiker rotieren.