piwik no script img

OECD warnt vor PlastikmüllDrei Mal so viel wie heute

Die OECD warnt vor Plastikmüll. Über eine Milliarde Tonnen könnten 2060 Umwelt und Gesundheit gefährden – vor allem in Afrika und Asien.

Mehr Wachstum gleich mehr Plastik? Ein Fischer bei einer Säuberungsaktion in Indonesien Foto: Kuncoro Widyo/Pacific Press/imago

Berlin taz | Die Welt wird in Plastikmüll versinken, wenn die Industrieländer nicht stärker mit den Schwellenländern zusammenarbeiten. Das sagt die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in ihrem Plastik-Ausblick voraus, den sie am Freitag veröffentlicht hat.

Genau wie das globale Wirtschaftswachstum wird sich demnach der Verbrauch von Kunststoffen bis ins Jahr 2060 verdreifachen, wenn die Menschheit so weitermacht wie bisher. Die Menschen würden dann im Jahr 2060 rund 1,2 Milliarden Tonnen Kunststoffe verbrauchen, gegenüber 460 Millionen Tonnen im Jahr 2019. Entsprechend steigt auch die Menge an Plastikmüll: Von 353 Millionen Tonnen 2019 auf eine Milliarde Tonnen 2060.

Das Problem verteilt sich nicht gleichmäßig über die Welt. Die Organisation mit Sitz in Paris unterstellt für die Schwellenländer ein schnelleres Wirtschaftswachstum; der Anteil der OECD-Länder an der globalen Wirtschaftsleistung wird danach von 44 Prozent 2019 auf nur noch 31 Prozent 2060 fallen.

Vor allen den Schwellenländern in Asien sagt die OECD ein schnelles, starkes Wachstum voraus. Dementsprechend werde dort auch mehr Kunststoff genutzt und weggeschmissen. Während die Be­woh­ne­r:in­nen der OECD-Länder in knapp 40 Jahren etwa doppelt so viele Kunststoffe verbrauchen werden wie heute, werden etwa die In­de­r:in­nen rund 5,5 mal so viel Plastik nutzen, die Menschen im südlichen Afrika mehr als 6,5 mal soviel. Obwohl sie von viel niedrigen Ausgangsmengen starten, wird der Plastikverbrauch laut der Prognose im Jahr 2060 dort am höchsten sein.

Entwicklung ist steuerbar

Allerdings sind diese Entwicklungen keine Naturgewalt, sondern steuerbar. Die OECD hat drei unterschiedliche Szenarien berechnet. Eines, in dem die Produktion und der Gebrauch von Plastik weiter so organisiert wird wie bisher – und das zu den enormen Steigerungen führt.

Ein zweites Szenario basiert auf einem regional unterschiedlichen Umgang mit dem Problem. Danach haben die Industrieländer höhere Standards in der Erfassung und im Recycling von Kunststoffmüll haben als die Länder im globalen Süden. Dann würden weltweit nicht 1,2 Milliarden Tonnen Kunststoff anfallen, sondern nur gut 1 Milliarde Tonnen, und 837 Millionen Tonnen Plastikmüll.

In einem dritten Szenario arbeiten die OECD-Länder und die armen Länder in einem „Global Ambition Plan“ zusammen – und setzen eine strenge Umweltpolitik weltweit durch. In diesem Szenario kommt die OECD dann noch auf eine produzierte Plastikmenge von 827 Tonnen und 679 Tonnen Müll. Es würde mit 60 Prozent der meiste Abfall recycelt, in Böden oder Gewässer würde kaum noch etwas gelangen.

UN verhandelt Plastik-Abkommen

In den Prognosen werden Recycling-Kunststoffe ihren Marktanteil bis 2060 verdoppeln und stärker wachsen als primäre Kunststoffe. Trotzdem machen sie im Jahr 2060 nur 12 Prozent des gesamten Kunststoffverbrauchs aus. Der allermeiste Kunststoffmüll wird auch in 40 Jahren nicht recycelt, sondern auf Deponien entsorgt – oder er landet weiterhin einfach in Landschaft, Flüssen und Meeren. Fast eine halbe Milliarde Tonnen alte Flaschen, Tüten, Netze, Seile werden künftig in Gewässer schwappen und sich langsam zu Mikroplastik zersetzen.

„Auch wenn die Prognosen bis 2060 mit Unsicherheiten behaftet sind, ist das Austreten von Kunststoffen letztlich ein großes Umweltproblem“, schreibt die OECD in ihrem Bericht. Mit den steigenden Kunststoffmengen nehmen auch die damit verbundenen Umwelt- und Gesundheitsprobleme zu: Mehr Treibhausgasemissionen, mehr Ozon, mehr giftiges Mikroplastik in Umwelt und Nahrungsmitteln. „Solange keine wesentlich strengeren, ehrgeizigeren und koordinierten Maßnahmen ergriffen werden, ist die Weltgemeinschaft weit davon entfernt, ihr langfristiges Ziel zu erreichen, der Plastikverschmutzung ein Ende zu setzen“, heißt es im Plastic-Outlook.

Die Zahlen verdeutlichen nochmals die Brisanz der Verhandlungen, die derzeit auf UN-Ebene stattfinden. Im Frühjahr hatte die UN-Umweltversammlung in Nairobi beschlossen, bis Ende 2024 ein globales Plastik-Abkommen zu verabschieden. Umweltverbände hatten die Entscheidung als „historisch“ eingestuft und hegen hohe Erwartungen an die Plastik-Konvention. Eine erste Konferenz dazu wird in der zweiten Jahreshälfte erwartet.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • Zwei Maßnahmen:



    1. Plastikverpackungen dort verbieten, wo es geht. Gurken, Tomaten etc. müssen nicht in Plastik eingepackt sein. Das wird nur getan, damit die Unternehmen weniger Schwund haben.

    2. Drastische Strafen für Umweltsauereien. Dazu zählt auch das Wegwerfen von McDonald/Burger-King Verpackungen.



    Keine Strafe unter 500 €. Singapur macht es vor und dort funktioniert es.

    • @cuba libre:

      "...weniger Schwund..."



      Also weniger vergammelte und weggeworfene Gurken. Aber wir wollten doch alle vor Kurzem noch weniger Lebensmittel vergammeln lassen und wegwerfen???

  • 9G
    93851 (Profil gelöscht)

    Man tut ja hier gerade so, als ob es sich um neuste Erkenntnisse handelte.



    Das Gegenteil ist der Fall!

    Z.B. machen entsprechende Wissenschaftler, Greenpeace, Umweltforscher, Verbände usw. seit Jahrzehnten auf gesellschaftliche Missstände aufmerksam. Der Müll, all das sinnlos produzierte Plastik allein schon für 2- und 3-fach-Verpackungen, plötzlich ein Problem?

    Was der Mensch der Welt antut, ist schon lange kein Gehe8mnis mehr!